Herr Klee und Herr Feld | Roman
habt, in der Heimat eures Vaters, war auch nicht schlecht. Warum muss man sich das antun?
Ich war gestresster als er, sagte Alfred.
Freddy, du bist Stress gewöhnt. Du warst Single, musstest dich selbst um alles kümmern. Dein Bruder hat im Elfenbeinturm gelebt. Hatte seine Uni, seine Frau, musste sich nie um etwas sorgen. Und wenn so jemand plötzlich in eine ungewohnte Lage kommt, kann das auf die Pumpe gehen. Kapiert?
Alfred nickte.
Damit machte sich Perlmann auf den Weg zu Moritz.
Zwei Wochen später am Jom Kippur war Moritz enttäuscht, dass ihn Alfred nicht zur Synagoge begleitete. Aber der wollte nicht heucheln, wie er sagte. Er sei bereits an Rosh Hashana gegen seinen Willen mit ihm in der Synagoge gewesen, das sei nun wirklich genug der Folklore. Also musste Moritz allein gehen.
Vor dem Betsaal traf er Norma und Halina, die sich nach Alfred erkundigten.
Fühlt er sich nicht gut?, fragte Norma.
Ich befürchte, er fühlt sich sogar sehr gut, erwiderte Moritz.
Verstehe, meinte Halina etwas verschnupft, allein mit dieser Amina.
Zamira, verbesserte Moritz.
Nachdem er gebetet hatte, wandelte er in den Pausen durch die Halle und traf immer wieder Bekannte. Nach dem Gottesdienst, gegen Abend, verließ er die Synagoge und ging nach Hause.
Du hättest mitkommen sollen, sagte er zu Alfred, der bereits am Tisch saß.
Warum?
Ich habe eine Menge Leute getroffen. Du jammerst doch immer, dass du keine sozialen Kontakte hast.
Ich hatte heute wunderbare soziale Kontakte!
Halina hat dich übrigens vermisst.
Ich sie nicht.
Ach? Ist dein Interesse schon wieder erlahmt?
Ich bin zu alt, um noch Balztänze aufzuführen!
Moritz wollte etwas erwidern, aber da kam Zamira ins Zimmer.
Sie stellte eine dampfende Schüssel auf den Tisch.
Sie erwartete offensichtlich ein Lob von Moritz.
Nu?, fragte Alfred. Ist das nichts? Sag schon was.
Moritz warf einen kurzen Blick über den Brillenrand in die Schüssel.
Ja, sehr schön, meinte er, ich hab seit Jahren kein Couscous mehr gegessen.
Aber wir. Als du heute an deinem Jom Kippur in deiner Synagoge warst und gefastet hast, haben wir zusammen gemütlich Couscous gegessen, stell dir vor.
Zamira verließ das Zimmer.
Guten Appetit.
Danke, Zamira, sagte Alfred.
Moritz wurde misstrauisch.
Was heißt das: »zusammen gemütlich«?, fragte er. Seit wann isst du in der Küche?
Wir haben hier gegessen. Hier am Tisch, so what! Ist dir Zamira nicht koscher genug?
Moritz wurde verhalten laut:
Alfred, wir hatten eine Abmachung. Und du hast diese Abmachung selbstherrlich aufgekündigt.
Schon, meinte sein Bruder, spielt a roll.
Moritz warf seine Serviette auf den Tisch.
Na, hör mal! Wie stehe ich denn jetzt da? Du als Robin Hood, ich, der Frühkapitalist aus Manchester.
Ach was! Lächerlich.
Moritz trat auf die Klingel und rief gleichzeitig in die Küche:
Zamira!
Alfred war das nicht angenehm.
Bitte, Moritz, lass das Mädel aus dem Spiel.
Zamira kam und stand unsicher in der Tür.
Ja, Herr Feld …
Moritz sagte im Befehlston:
Nehmen Sie sich einen Teller und setzen Sie sich zu uns.
Zamira ging wortlos an den Schrank.
Moritz sprach weiter:
Von nun an essen wir zusammen Abendbrot.
Alfred ergänzte:
Und Mittag auch, oder?
Moritz reagierte unwirsch:
Selbstverständlich. Mittag auch.
Zamira setzte sich.
Die Männer schauten sie an.
Sie lächelte.
Sie griff nach dem Löffel.
Heute Mittag, sagte Alfred, hatten wir so eine scharfe Soße …
Zamira sprang auf.
Harassa! Hole ich!
Sie lief aus dem Zimmer.
Alfred sagte kauend:
Weißt du noch? Das Couscous bei Gad in Jerusalem? Tausendmal besser!
Moritz flüsterte:
Was heißt! Kein Vergleich!
Zamira kam mit der Sauciere zurück.
Sie löffelte den Herren die Soße über die Hirse.
Dabei sagte Moritz kauend:
Zamira, Kompliment. Das Couscous, perfekt! Besser als bei unserem alten Freund Gad in Jerusalem.
Zamira strahlte:
Schön, dass Sie das sagen, Herr Feld. Das hat Ihr Bruder auch gesagt.
Am nächsten Morgen kam Doktor Perlmann zu einem Hausbesuch, bevor er in seine Praxis fuhr. Er erkundigte sich, wie Moritz das Fasten vertragen hatte, und als er anschließend in die Küche schaute, wo Zamira werkelte, fragte sie ihn, ob er einen Kaffee wolle. Obwohl der Arzt vor ein paar Minuten erst zu Hause einen getrunken hatte, sagte er nicht Nein.
Er setzte sich an den Küchentisch und fragte:
Ist Alfred noch nicht wach?
Doch.
Und wie ist er gelaunt?
Gut.
Dann hat er einen schlechten Tag, sagte der
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