Herr Klee und Herr Feld | Roman
tausend Mark leihen könne. Alfred reagierte zögerlich, denn das würde seine nahe Zukunft tangieren, aber sie versprach, dass sie ihm das Geld bis zu seiner Abreise nach Rom längst zurückgezahlt hätte. Alfred glaubte ihr, glaubte an ihr Talent und an ihr Durchsetzungsvermögen.
Sie fuhr nach Paris, machte ein Composé und stellte sich bei Agenturen vor. Dass sie Durchsetzungskraft und Talent hatte, sollte sich rasch bewahrheiten: Sie schaffte es auf die Titelseite der Vogue, lernte einen Millionär kennen und heiratete ihn. Das geliehene Geld sah Alfred nie wieder.
Trotz dieses Rückschlags hatte er nach einem Jahr über sechstausend Mark gespart und es war an der Zeit, Frankfurt Lebewohl zu sagen. Seine Mutter hatte bis zuletzt gehofft, dass er doch noch von der Idee nach Rom zu gehen und Filmschauspieler zu werden, abließ. Auch Moritz bemühte sich, ihm die Vorzüge einer akademischen Ausbildung schmackhaft zu machen, indem er ihm von Horkheimer und Adorno vorschwärmte – es war vergebens. Alfred hatte eine Bestimmung. Er wollte zum Film. Da konnten Horkheimer und Adorno nicht mithalten.
Über den Kellner Barry kam er zu einem sensationellen Wagen! Für siebenhundert Dollar kaufte er einen Chevrolet Bel Air, türkis und weiß. Ein Schnäppchen. Verkäufer war ein GI , der nach den USA zurück beordert worden war und das Auto schnell loswerden musste.
Für Alfred war es ein unvergesslicher Augenblick, als er am Nachmittag mit seinem Straßenkreuzer vor dem »Bologna« hielt. Alle stürzten nach draußen und staunten. Blackwood bestand darauf, mit Alfred eine Runde um den Block zu machen und setzte sich auf die endlose vordere Sitzbank. Der Straßenkreuzer glitt auf die Straße und Alfred fühlte sich wie auf Wolken.
Er erklärte seinem Chef die geheimnisvollen Kippschalter, Knöpfe und Regler, die automatische Antenne, das Radio, die elektrischen Fenster, die Klimaanlage, den Zigarettenanzünder, das beleuchtete Handschuhfach.
Blackwood war beeindruckt.
A mezije, rief er, unberufen, mazl tov! Und dann fügte er an: Much money you must have. I’m sure, du hast mich beganeft.
Dann mussten sie beide lachen.
Am Ende der Testfahrt wollte Alfred rückwärts einparken und versuchte, den Halbautomatikhebel am Lenkrad zu betätigen. Dabei gab er zu viel Gas und plötzlich krachte es höllisch und die hintere Stoßstange des Chevys stand im Schaufenster des Friseurgeschäfts Krall. Während sich Blackwood amüsierte, entschuldigte sich Alfred zerknirscht beim Friseurmeister, der den Vorfall entspannt zur Kenntnis nahm. Was tun? Alfred rief Onkel David an, der erzählte seiner Versicherung, dass er gefahren sei, und so wurde der Schaden unkompliziert beglichen. Es blieb für immer das Geheimnis von David und Alfred. Und Meister Krall.
[zurück]
10
Die Schabbeskerzen brannten. Moritz und Alfred saßen sich gegenüber und hatten die Suppe gegessen. Moritz tupfte sich den Mund, legte seine Serviette zur Seite und sagte anschließend, dass er sehr zufrieden darüber sei, dass sie sich für Zamira entschieden hätten. Ja, auch Alfred war angetan von der jungen Araberin, wenngleich sie ihm manchmal zu perfekt vorkam. Er vermutete, dass sie nur eine Seite dieser außergewöhnlichen Person kannten.
Moritz, sagte Alfred leise, sie ist freundlich, sie ist sauber, sie ist fleißig. Sie ist schön. Und sie vergiftet uns nicht. Da muss es noch etwas geben, glaube mir.
Warum kannst du sie nicht akzeptieren, wie sie ist?, wollte Moritz wissen, nicht alle Araber sind hassenswert.
Damit hat das nichts zu tun. Ich sage nur, dass sie so nicht ist, wie sie ist, antwortete sein Bruder, bist du blind? Ich denke, du bist Psychologe. Du erzählst mir doch immer vom Unterbewusstsein …
Vom Unbewussten, verbesserte Moritz.
Geschenkt! Jedenfalls davon, dass mein Gehirn schon lange Bescheid weiß, bevor ich es weiß.
Moritz verzog den Mund. Sein Bruder übertrieb, wie immer.
Für Alfred war die Sache klar:
Sie ist fast dreißig. Sie hat bereits ein Leben gelebt. Wo? Mit wem? Wie?
Offenbar ein mieses Leben, meinte Moritz, und sie will es hinter sich lassen.
Alfred lachte.
Genau, und deshalb will sie den Rest ihres Daseins in einer düsteren Höhle mit zwei jüdischen Steinzeitmenschen verbringen! Als arabische Nonne! Wo lebst du denn?
Bevor Moritz antworten konnte, betrat Zamira mit einem Tablett das Zimmer und sagte:
Ich kann nicht warten auf Ihr Klingeln, werden mir die Schnitzel kalt.
Sie stellte jedem einen
Weitere Kostenlose Bücher