Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
Vom Netzwerk:
Chagall-Museum? Alfred war erschüttert. Mom ist noch nicht unter der Erde und du planst einen Kulturtrip?
    What’s wrong?, fragte Moritz während sie die Straße hinunterliefen. Ich wollte da immer hin, Mom hat es geliebt und mir vorgeschwärmt. Es wird sie freuen, wenn sie uns da sieht.
    Sie wird uns da nicht sehen, fiel Alfred ein, wir wissen nicht ihren hebräischen Namen. Den braucht der Rebbe bis morgen früh.
    Moritz dachte nach.
    Ich glaube, sie heißt Batya, sagte er dann.
    Kann sein, klingt jedenfalls koscher, sagte Alfred.
    Moritz überlegte:
    Batya bat …
    Batya bat Siggi Suffkopp!, klingt nicht mehr so koscher, unterbrach ihn sein Bruder.
    Shlomo!
    Wer ist Shlomo?
    Na, Siegfried Petersen. Unser Opa.
    Wie kommst du auf Shlomo?
    Warum nicht. Batya bat Shlomo! So nennen wir sie.
    Alfred war unsicher.
    So willst du sie nennen? Sie wird vor dem Tor stehen und keiner wird sie reinlassen.
    Mom kommt überall rein.
    Sie mussten lachen.
    Apropos, sagte Alfred plötzlich, ich habe einen klasse Witz für dich, aus Rom.
    Erzähl.
    Ein alter Mann mit einem weißen Bart steht am Himmelstor und will rein, da kommt Petrus und fragt: Wer bist du? Da sagt der Mann: Ich heiße Josef, bin Zimmermann und komme aus der heiligen Stadt. Und sonst noch was?, fragt Petrus. Ja, sagt der Mann, mein Sohn ist aus toter Materie lebendig geworden und die ganze Welt liebt ihn! Da hat Petrus einen Verdacht und läuft zu Jesus. Du, sagt er, da draußen ist ein alter Mann, der sagt, er heißt Josef, sei Zimmermann, komme aus der heiligen Stadt und sein Sohn sei wieder lebendig geworden, nachdem er tot war! Jesus rennt ganz aufgeregt vor das Himmelstor, sieht den Alten, fällt ihm um den Hals und ruft: Papa! Der Mann lächelt ihn glücklich an und sagt: Pinocchio!
    Moritz musste derart lachen, dass er sich verschluckte. Da standen die Brüder Kleefeld mitten in Nizza und lachten.
    Nach dem Abendessen, das sie unweit des Hafens in einem hübschen Bistro eingenommen hatten, begleitete Moritz seinen Bruder zum Beau-Rivage. Vor der Tür verabschiedeten sie sich, umarmten sich kurz und Moritz ging zu Fuß zur Wohnung seiner Mutter zurück. Als er den Salon betrat, klingelte das Telefon. Es war Fanny.
    Darling?
    Ja, sagte Moritz.
    Wieso rufst du nicht an? Ich habe mir solche Sorgen gemacht.
    Wenn was passiert wäre, hättest du es auf CNN gesehen, meinte Moritz.
    Wie war der Flug?
    Okay, ich bin nur schrecklich müde.
    Klar, sagte sie, was hast du heute gemacht?
    Es gab viel zu erledigen. Gemeinde, Beerdigung organisieren, Bankgeschichten …
    Ist alles in Ordnung, finanziell?
    Er wusste, was sie meinte.
    Mach dir keine Sorgen, sagte Moritz, wir kommen gut zurecht mit allem. Alfred ist sehr kooperativ.
    Das ist schön. Wann ist die lewaje?
    Morgen früh um elf.
    Dann gehst du am besten jetzt schlafen, belehrte sie ihn.
    Schade, ich wollte noch zur Mitternachtsshow ins Ruehl-Casino!
    Sie ging nicht weiter darauf ein und sagte nur:
    Schlaf gut, Darling.
    Nachdem er aufgelegt hatte, fiel sein Blick auf das Foto, bei dem Mom stets »meine Männer« gesagt hatte. Auf der Strandpromenade von Knokke, 1953 . Ja, es war eine glückliche Zeit gewesen, damals. Er hatte gerade sein Abitur gemacht, freute sich auf sein beginnendes Studentenleben. Drei Jahre zuvor hatte ihn seine Mutter vor die Entscheidung gestellt, in New York zu bleiben und aufs Hunter College zu gehen oder mit ihr und Alfred nach Frankfurt zurückzukehren.
    Wie sollte ein fünfzehnjähriger Junge ermessen, was gut für ihn war? Er hing an seinem Bruder, obwohl der Abstand von drei Jahren eine Menge war. Mit Samuel Landau, dem Partner seiner Mutter, verstand er sich nicht sonderlich gut. Sam zählte sich bereits zur jüdischen Aristokratie, obwohl seine Eltern erst nach dem ersten Weltkrieg in die USA gekommen waren. Das Schicksal der europäischen Juden war ihm gleichgültig. Das Affidavit hatte er nur ausgestellt, weil er scharf auf Baby war und hoffte, sie würde sich dankbar zeigen. Das trat auch ein, aber mit ihrem Herzen war sie stets bei David, um den sie sich sorgte.
    Nachdem der Krieg begonnen hatte, Moritz war fünf Jahre alt, begab sich seine Mutter mit den beiden Söhnen in ihre Heimatstadt Hamburg. Sie hatte glücklicherweise einen Pass ohne das »J«. Louis Kleefeld war bereits inhaftiert. Die Auswanderungsbehörde in Frankfurt hatte ihm nach der Kristallnacht angeboten, mit seiner Familie ins Ausland zu gehen, wenn er seinen Besitz der Stadt überließ. Kleefeld willigte

Weitere Kostenlose Bücher