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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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Bestattungen zuständig war. Ein Monsieur Singer, den sie hier »Sähnché« aussprachen.
    Als Alfred sich verabschieden wollte, fragte der Rabbiner:
    Monsieur Kleefeld, kennen Sie den Namen ihrer Maman?
    Ihren Namen?
    Ich meine ihren hebräischen Namen.
    Natürlich! Sie musste ja mit ihrem hebräischen Namen auf die Reise gehen, sonst würde die arme Frau ewig am Himmelstor stehen und keiner würde »Herein« rufen!
    Was sollte Alfred ihm antworten? Sie heißt Barbara, geborene Petersen, Tochter eines protestantischen Kneipenwirts aus Altona, auch »Siggi Saufnase« genannt!
    Da muss ich meinen Bruder fragen, erwiderte Alfred und war froh, dass ihm diese Ausrede eingefallen war. Bis übermorgen würden sie ihren »koscheren« Namen in den Unterlagen gefunden haben.
    Anschließend rief Alfred bei der Gemeinde an und wurde mit Monsieur Singer verbunden, der ebenfalls voll des Lobes über die Verblichene war.
    Herr Singer kam ursprünglich aus Wien und war froh, wieder einmal deutsch reden zu können. Alfred versprach, morgen im Lauf des Vormittags mit dem Totenschein und seinem Bruder in der Gemeinde vorbeizuschauen, um alles persönlich zu regeln.
    Monsieur Kleefeld, sagte der Mann zum Schluss, falls sie gut essen wollen in Nizza, kann ich Ihnen das Restaurant »Chez Pierrot« empfehlen, Boulevard Gambetta, unweit des »Negresco«.
    Vielen Dank, sagte Alfred und dachte, mein Gott, diese ejze hatte ihm noch gefehlt.
    Man isst ausgezeichnet, vernahm er Singer weiter, es ist nicht ganz billig, aber wie gesagt, man isst ausgezeichnet!
    Gut zu wissen, sagte Alfred.
    Es gehört übrigens meinem Sohn, sagte Singer.
    Welche Überraschung, dachte Alfred und sagte:
    Ich werde es mir überlegen. Danke.
    Er hat Koch gelernt, in Wien, bei Meinl, Am Graben.
    Ja, kenne ich. Beste Adresse. Wunderbar. Also, Herr Singer …
    Wenn Sie zu ihm gehen, dann sagen Sie mir vorher Bescheid. Ich melde Sie dann an. Für Freunde gibt er sich immer eine besondere Mühe, der Bub. Fragen Sie nach Pierrot.
    Ich werde es mit meinem Bruder besprechen, Herr Singer!
    Noch etwas. Ihr Bruder ist doch ein Professor, oder? Ihre verehrte Frau Mutter hat mir das erzählt.
    Ja, das stimmt, sagte Alfred und wusste schon, was kommt.
    Dann grüßen Sie ihn auch schön und nochmals mein herzlichstes Beileid für den Herrn Professor und für Sie.
     
    Als Alfred eine Stunde später sein Zimmer im Hotel Beau-Rivage bezog, kam ihm das berühmte Bild von Matisse in den Sinn »Mein Zimmer im Beau-Rivage«, das er genau vor Augen hatte: der Plüschsessel, das Bett mit dem Lederkoffer, der rote Teppich, das offene Fenster, das blaue Meer.
    Von dem einst berühmten Hotel aus war das Meer nicht mehr zu sehen. Es war den gewitzten, französischen Architekten gelungen, noch ein Haus vor die Strandpromenade zu quetschen. Heute musste sich alles rechnen, Matisse hin, Matisse her.
    Nachdem er geduscht hatte, zog sich Alfred an und verließ das Hotel. Er ging rechts die Straße entlang bis zum Blumenmarkt, wo er ein Fischrestaurant fand mit vernünftigen Preisen und einem Koch, der nicht bei Meinl gelernt hatte, aber sein Handwerk dennoch verstand. Heute früh war Alfred sicher gewesen, niemals mehr einen Bissen herunterzubekommen, aber nun saß er hier unter einer Markise in Nizza und spürte, dass das Leben in ihn zurückkehrte. Es war zwar alles schrecklich traurig, aber es war auch ein Anfang. Seine Mutter war tot, jetzt spielte er an der Rampe das Stück zu Ende.
     
    Wie ich dieses Frankreich hasse, war der erste Satz, den Moritz sprach, nachdem sich die Brüder lange stumm in der Flughafenhalle umarmt hatten.
    Stell dir vor, zuerst schicken sie mich in die falsche Richtung in Charles de Gaulle …
    Ein fürchterliches Gebäude, bemerkte Alfred dazwischen.
    Ja, diese Betonästhetik, grauenvoll. Wie gesagt, ich kriege meinen Flieger in letzter Sekunde und eben war ich der Einzige, dessen Gepäck durchsucht wurde. Ausgerechnet ich! Alle zogen fröhlich vorbei und ich stehe da vor diesem miesen Potz!
    Er imitierte ihn:
    Vous avez quelque chose à déclarer, monsieur?
    Non!
    Ouvriez la valise, s’il vous plaît!
    Je suis touriste, pas terroriste!
    Monsieur! La valise!
    Alles Antisemiten!, sagte Alfred.
    Moritz lächelte.
    Das war typisch David!, sagte er.
    Da war er wieder, dieser Stich ins Herz, dachte Alfred, sagte jedoch:
    Was hältst du davon, wenn wir gleich zur Gemeinde fahren und die Formalitäten erledigen. Bevor es heiß wird.
    Du bist der Boss, meinte

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