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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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vorbildliche Frau war, eine Frau voller Weisheit und Güte und die niemanden ungetröstet ließ. Wie auch ich kam sie spät in unsere Gemeinde, hat sich sofort engagiert und geholfen, wo sie nur konnte. Viele in unserer Gemeinschaft haben ihrem Rat vertraut. Neuen Mitgliedern aus Russland oder Nordafrika hat sie geholfen, ihren Platz zu finden. Ihre Lebensfreude, ihr Optimismus, ihre Neugier auf andere waren ansteckend. Die Bilanz ihres Lebens ist positiv. Sie hat zwei Söhne, die dank ihrer Mutter einen erfolgreichen Lebensweg gehen und die von weither gekommen sind, um sie heute gemeinsam mit uns zu Grabe zu tragen.
    Er machte eine Pause.
    Möchten Sie etwas sagen, Monsieur le Professeur?, fragte der Rabbi.
    Moritz erhob sich und begann in holprigem Französisch:
    Unsere Mutter war die beste Mutter der Welt …
    Alfred liefen die Tränen über die Wangen.
    … sie war voller Güte und jeder, der sie kannte, musste sie gernhaben.
    Sie hat für meinen Bruder und mich alles gegeben, kein Opfer war ihr zu groß. Sie strebte vor allem nach dem Glück für andere. Sie hatte kein leichtes Leben und hat stets die härtesten Anforderungen an sich selbst gestellt. Unsere Mutter …
    Er hielt sich die Hand vor die tränenden Augen und schluchzte.
    Alfred erhob sich, legte ihm den Arm um die Schulter und sagte:
    … möge sie in Frieden ruhen.
    Bis meshiach sie nach Jerushalajim ruft, ergänzte der Rabbi und die Trauergemeinde rief: Omejn!
    Als sie vor dem kleinen Betraum standen, machte Madame Mosbach die Brüder Kleefeld mit Dr. Weiss bekannt, Babys Hausarzt. Moritz bedankte sich beim Doktor für sein Erscheinen.
    Das ist doch selbstverständlich, sagte der Arzt, sie war so eine liebenswerte Frau.
    Von innen hörte man Hammerschläge – der Sarg wurde eben zugenagelt.
    Alfred zog Dr. Weiss ein wenig zur Seite, als er ihn fragte:
    Ein Gedanke lässt mir kein Ruhe, Doktor. Glauben Sie, dass sie nach dem Sturz noch gelebt und vielleicht gelitten hat?
    Nein, meinte der Arzt, da kann ich Sie beruhigen, Monsieur Kleefeld. Ihre Mutter verlor während des Sturzes ihre Besinnung.
    Tatsächlich? Auch Moritz war überrascht.
    Durch die Fliehkräfte wird das Gehirn dermaßen an die Schädelwand gedrückt, dass die Leute ohnmächtig werden. Speziell die älteren. Beim Aufprall waren die inneren Verletzungen Ihrer Frau Mutter sofort tödlich. Ich habe mit dem Polizeiarzt telefoniert.
    Die Tür öffnete sich, der Sarg wurde auf einer wackligen Lafette herausgerollt in den strahlenden Sonnenschein.
    Es war ein schöner Platz, wenn man das überhaupt so sagen konnte, den sich Baby ausgesucht hatte. Er lag unter einer prächtigen Pinie.
    Der Sarg war in der Erde versenkt worden und Alfred zog seinen alten Kaschmirschal hervor, den er umlegte, während der Rabbiner eine Rasierklinge hervorholte. Heute bekam der Schal einen zweiten Riss, als Symbol für eine Wunde, die sich niemals schließen würde.
    Nachdem der Rabbiner ein Gebet gesprochen hatte, alle das »shma jisrael« murmelten, stellte sich Moritz vor das offene Grab und sagte Kaddisch.
    Als er geendet hatte, begannen zwei dunkelhäutige Männer, Sand auf den Sarg zu schaufeln, ein paar Trauergäste warfen Rosen ins Grab. Madame Mosbach hatte sich bei Alfred und Moritz untergehakt, denn zwischen den vielen unebenen Gräbern, Stufen und Wegen war ihr der Rollator keine Hilfe. Als sie am Tor ankamen, hockten dort die beiden Klageweiber und hielten die Hand auf.
    Moritz steckte ihnen einhundert Francs zu.
    Alfred winkte nach einem Taxi und gab Frau Mosbach den Rollator.
    Sie ist nicht lange allein, ihre Mutter, sagte die Nachbarin zu Moritz, ich werde bald zu ihr gehen.
    Aber Madame Mosbach, heuchelte er, Sie sind doch in bester Form!
    Der Tod kommt, wenn die Seele ihn ruft, sagte sie und lächelte.

[zurück]
    15
    Nach dem misslichen Erlebnis mit Mark Faller vergingen einige Tage, bis Zamira sich wieder entspannter auf ihre Arbeit und vor allem auf die beiden Brüder Kleefeld einlassen konnte. Sie hatte zu viel von sich preisgegeben, hatte Anonymität eingebüßt. Dass es Alfred und Moritz waren, die ihr aus dieser bedrohlichen Situation herausgeholfen hatten, machte es für sie nicht leichter. Obwohl sich beide um sie bemühten und ihr nicht eine Sekunde das Gefühl gaben, sie hätte versagt. Im Gegenteil. Alfred lenkte sie von ihren schwermütigen Gedanken ab und erzählte wieder einmal launig von seiner Zeit als Vampir und seinen Erlebnissen aus der großen Welt des Films.
    Moritz

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