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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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Teufelskerls zurückhielt und den Eindruck eines nachdenklichen Intellektuellen machte, was natürlich auch Show war. Er hatte sofort wahrgenommen, dass Halina nicht auf »Frauchen« machte, sondern selbstbewusst und ernsthaft war. Dabei hatte sie Humor, allerdings von der eher bissigen Sorte. Während der anregenden Unterhaltung bei Tisch huschte Zamira herbei, trug ab, servierte, erklärte die Speisen. Sie wurde gelobt und die Frauen fragten sie nach Rezepten und den Geheimnissen der Zubereitung.
     
    Moritz war zufrieden. Er hatte sich nicht blamiert. Es war ihm wichtig, Norma zu beweisen, dass er nicht auf ihre Unterstützung, ihr Mitleid und ihre Ratschläge angewiesen war, sondern Haus und Personal im Griff hatte. Und dass es Palästinenserinnen gab, die nicht »Tod Israel« riefen, Fäuste schwangen und mit der Zunge trillerten, wenn eine Rakete Sderot getroffen hatte, was inzwischen beinahe täglich geschah.
    Nach dem Essen begaben sich die Kleefelds und ihre Gäste wieder in den Salon, wo Zamira bereits Mokka und arabisches Gebäck vorbereitet hatte. Nachdem alle saßen, meinte Alfred, dass die Halva so süß und klebrig sei, dass man früher damit die Pyramiden gebaut hätte. Alle lachten, auch Halina. Das freute ihn, denn er wollte ihr unbedingt gefallen.
    Zunächst schlug die Stunde von Moritz. Der setzte sich an den Flügel, nachdem Norma ihn inbrünstig darum gebeten hatte. Zuerst spielte er die Nocturne Nr.  20 von Chopin und anschließend auf Wunsch von Halina die »Gymnopédies« von Eric Satie.
    Kurz vor Mitternacht begleiteten die Brüder die Damen nach Hause. Es war eine linde Sommernacht. Während Moritz mit Norma einige Meter vorneweg lief, trotteten Halina und Alfred hinterdrein, in ein Gespräch vertieft. Er war beeindruckt von seiner Begleiterin und vermied tunlichst, sie zu berühren. Er war eher der Mann, der andere gern während der Unterhaltung anfasste, aber bei Halina wollte er alles vermeiden, was sie hätte verschrecken können.
    Halina hatte ein ereignisreiches Leben hinter sich. Sie hatte als junge Frau in München Kunstgeschichte studiert und sich dabei in einen ihrer Dozenten, den wesentlich älteren Galeristen und Kunstsammler Charles Henri Pinsker, verliebt. Das Paar zog nach New York, wo die Söhne Ilan und Uri zur Welt kamen. Pinsker verstarb einige Jahre später an Leukämie und Halina zog nach Tel Aviv, ihren Söhnen hinterher, die sich für ein neues Leben in Israel entschieden hatten. Während Ilan seinen Militärdienst absolvierte, geriet Uri unter den Einfluss einer ultraorthodoxen Gemeinde im Jerusalemer Viertel Mea Shearim. Er ließ sich einen Bart und Schläfenlocken wachsen. Er trug sogar einen streimel, also einen Pelzhut, und wollene Kleidung.
    Alfred konnte es sich nicht verkneifen zu bemerken:
    Genauso, wie es geschrieben steht: Du sollst bei vierzig Grad Hitze einen Pelzhut und schwarze, lange, wollene Kleider tragen!
    Halina lächelte kurz.
    Mein Sohn wurde so fromm, dass er jeden Kontakt zu mir abbrach!
    Sie machte eine Pause, wischte eine Träne fort. Dann erzählte sie leise weiter, wie ihr Sohn verheiratet wurde und vier Kinder bekam. Obwohl Halina anfing, einen koscheren Haushalt zu führen, und alles tat, um Uris Herz zu erweichen und ihre Enkelkinder zu sehen, blieb ihr jüngster Sohn bei seiner unerbittlichen Haltung. Seine Mutter und ihr Haus waren unrein.
    Der älteste Sohn Ilan kam nach seiner Militärzeit und Einsätzen im Südlibanon nicht mehr im Alltag zurecht. Trotz eines gut bezahlten Jobs als Programmierer beim Geheimdienst Mossad wurden seine Depressionen zunehmend dramatischer, bis er eines Tages seinem Leben selbst ein Ende setzte. Halina war nah daran, das ebenfalls zu tun, aber ihre Freundin Norma besuchte sie, stand ihr bei, ebnete ihr den Weg nach Frankfurt und half ihr, zurück ins Leben zu finden. Nun hat Uri sie sogar vor ein paar Monaten in Frankfurt besucht, das Verhältnis scheint sich behutsam zu entspannen.
    Als sie vor dem Haus standen, in dem Halina wohnte und das Norma gehörte, drückte sie Alfred rasch ein Küsschen auf die Wange und verschwand wie ein verstörter Teenager im Hausflur.
    Auf dem Rückweg erzählte Alfred seinem Bruder Halinas Geschichte. Bevor Moritz zu Bett ging, machte er sich noch eine Notiz: Zamira loben!
     
    Als Freddy Clay am Drehort erschien, wurde er vom Regisseur und vielen aus dem Team mit Respekt begrüßt. Selbst die vorlaute Maskenbildnerin, die ihn noch vor Kurzem wie Abschaum behandelt

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