Herr Klee und Herr Feld | Roman
Klügeren.
Alfred erhob sich.
Nacht, Herr Klee, rief ihm Zamira freundlich hinterher.
Moritz nahm die Programmzeitschrift.
Auf arte bringen sie das Opernfestival aus Aix-en-Provence. Wollen wir uns das ansehen?
Super, sagte Zamira, muss ich mich umziehen?
Nicht nötig.
Sie setzte sich in Alfreds Sessel.
Aber ein Gläschen Schampus im Foyer, das muss sein!, bestimmte Moritz.
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20
Alfred war wieder jung geworden. Mit einem unbeschreiblichen Hochgefühl saß er hinter dem Steuer dieses wunderbaren Wagens, als er vom Werkstattgelände kommend auf die Schranke zufuhr. Wie von Geisterhand bewegt schwebte sie nach oben, langsam rollte er auf die Straße zu. Er sah nach links, der Blinker klickte gut hörbar. Leise Musik kam aus dem Becker-Mexico-Radio. Als Alfred an der Ampel hielt, bemerkte er, dass die Fahrer der Autos neben ihm herüberstarrten. Kein Wunder. Sie waren wie füreinander geschaffen, das Mercedes 280 er Coupé und Alfred Klee- feld.
Freddy!, hatte Raimund der Schrauber gerufen, als Alfred den Verkaufsraum betrat. Der alte Herr war auf ihn zugehumpelt und hatte die Arme ausgebreitet.
Raimund, hatte Alfred gesagt und sie waren sich um den Hals gefallen.
Mann, sagte der Werkstattbesitzer, du siehst ja aus wie früher.
Alfred strahlte.
Nur etwas älter, wackliger und faltiger, fügte Raimund dann hinzu.
Die Männer lachten.
Setz dich, wieso bist du wieder zurück in die alte Heimat?
Ach, weißt du, mein Bruder. Er ist jetzt fast achtzig und kommt nicht mehr so gut allein zurecht.
Das ist aber anständig, dass du dich um ihn kümmerst. Und, hast du mal wieder jemanden getroffen von früher?
Fünfzig Jahre sind eine Ewigkeit. Da verliert man den Anschluss.
Ja, ja. Raimund nickte. Und die meisten sind ja gestorben. Der Joe, der das Sheperd’s hatte, du erinnerst dich. War später Arzt. Ist vor ein paar Monaten gestorben. Prostata. Wir verkaufen gerade sein Auto.
Der Joe, sagte Alfred, ich sehe ihn noch vor mir. Groß, rotblond, mit krummem Gang. Hat ein wenig mit der Zunge angestoßen beim »S«, klang wie ein »Z«. Gebildet und belesen. Wir sind nachts mit seiner Vespa nach Sachsenhausen gebrettert, ich hinten drauf, rein in die Äppelwoikneipen, unbemannte Sekretärinnen abschleppen!
Ja, ja, der Joe, sagte Raimund und dann nach einer Pause:
Euer Schatzkästchen ist fertig. War viel dran.
Das sagst du nur, damit ich den Preis überlebe.
Aber hallo! Hinterachse, Längsholme, Lenkung, neue Reifen, Zylinderkopf planschleifen, Kat einbauen, Inspektion, TÜV und so weiter.
Na, sag schon.
Normalerweise kostet das zwanzig Riesen. Für dich vierzehn. Weil du ein alter Kumpel bist. Aber erzähl’s keinem weiter, sonst wollen sie alle Rabatt.
Können wir es überweisen?
Logo. Mach dir kein’ Kopf. Ich schick ’ne Rechnung.
Alfred erhob sich.
Freddy, sagte Raimund, du alter Pizza-Flitzer! Dass wir uns noch mal begegnen, gell.
Als Alfred in die Einfahrt fuhr, standen Zamira und Moritz vor der Garage. Sie hatten das Tor geöffnet, Alfred hatte aus dem Auto angerufen und seine Ankunft avisiert. Als er anhielt, applaudierten die beiden und freuten sich wie die Kinder. Sie stiegen in den Wagen, schwärmten und waren hellauf begeistert.
Ich habe eine Idee, sagte Moritz.
Bevor Zamira vorsichtig losgefahren war, hatte Alfred im Radio einen Nostalgiesender entdeckt und so summten oder sangen die beiden Männer viele der Lieder mit und hatten fast bei jedem Titel eine Geschichte zu erzählen.
Alfred berichtete von seinen Pizzafahrten, Moritz sezierte einige der Songs und erklärte die Metaphern und heimlichen Botschaften.
Es war eine prüde Zeit damals, müssen Sie wissen, sagte er, man konnte nicht sagen, zu mir oder zu dir? Deshalb ging man zur Musikbox und drückte ein Lied, in dem diese Wünsche zum Ausdruck gebracht wurden. Dann hörten die Mädchen Sätze wie: In deinen Augen steht so vieles, das mir sagt, du fühlst genauso wie ich. Will heißen: Stell dich nicht so an, du willst es doch auch, hab ich recht?
Zamira musste lachen. So hatte sie Moritz nicht eingeschätzt.
Herr Feld!
Herr Feld ist auch nicht aus Holz, sagte Moritz.
Seid mal ruhig, rief Alfred, das will ich hören!
Aus dem Radio kam: Those were the days.
Moritz verzog das Gesicht und sagte zu Zamira:
Dieses Lied ist, wie übrigens viele Lieder, geklaut. Es basiert auf einem jiddischen Volkslied.
Er brummte es mit.
Lei, lei, lei, lei, leila lei, lei lei, lei, leila.
Geht das wieder los! Moritz will
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