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Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
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ein blöder Begriff.
    Schon gut, ich könnte ein wenig arbeiten, ein paar Mails schreiben und so.
    Dann hole ich dich um sechs ab. Wir essen bei uns.
    Prima, ciao Freddy, sagte sie und dann: Ich bin übrigens Vegetarierin.
    Macht nichts, meinte Alfred, ich habe dich trotzdem lieb.
    Küsschen links und rechts, dann verschwand sie im Lift.
     
    Zamira gab sich besondere Mühe, nachdem Alfred ihr ein wenig von seiner Jugendliebe Juliette Lubinski erzählt hatte, und war nun dabei, ein vegetarisches Menü zu kreieren. Er war zu ihr in die Küche gekommen, hatte für Zamira einen Espresso und für sich einen Tee zubereitet und dann war er geblieben, hatte sich an den Küchentisch gesetzt und ein wenig über früher geplaudert, während Zamira Gemüse putzte. Er erzählte von Juliette, von ihrer unschuldigen Liebe, dem Grandseigneur Lubinski und seinem Maybach, von der unerbittlichen Mutter Lulu, den Fünfzigern, die für eine junge Frau mittelalterlich anmuten mussten und für eine junge Palästinenserin schon jenseits aller Vorstellungskraft waren. Er sprach vom Louis-Armstrong-Konzert, vom Rock’n’Roll, von Mopeds und Petticoats. Alfred war angetan, wie aufmerksam Zamira zuhörte, welche Fragen sie stellte. War es am Anfang ausschließlich ihre Schönheit, die ihn betört hatte, entstand nun das Bild einer Persönlichkeit, die ihm näherkam. Es war in der Tat so, wie Moritz es in einer seiner Veröffentlichungen geschrieben hatte: Je besser man den anderen kennt, umso besser versteht man sich selbst. Oder wie Martin Buber es einmal ausdrückte: Kein Ich ohne Du.
    Als er auf den Flur kam, ging die Türklingel. Er öffnete, vor ihm stand Maik Lenze, der ewige Student.
    Hallo, Herr Kleefeld, sagte er.
    Kommen Sie rein, Maik, wann darf ich »Doktor« zu Ihnen sagen?
    Wir sind auf der Zielgeraden, meinte der junge Mann.
    Freut mich zu hören, sagte Alfred, obwohl er nicht daran glaubte.
    Gehen Sie durch, der Meister ist in seiner Klause.
     
    Als er am Speisezimmer vorbeiging, sah er Zamira, die das Geschirr aus der Anrichte holte, um den Tisch zu decken. Maik blieb einen Augenblick stehen. Er musste an die Stöcklein denken, wie sie stöhnte und ächzte, wie ihr alles eine Last gewesen war. Und Zamira? Immer summte sie ein Lied, stets war sie gut gelaunt. Sie drehte sich um.
    Beobachten Sie mich?, fragte sie.
    Ja, es gibt Schlimmeres.
     
    Moritz thronte am Kopfende, Juliette und Alfred saßen sich gegenüber. Genau wie an Pessach vor fast sechzig Jahren, als es der füllige Rechtsanwalt Lubinski war, der den Tisch dominierte, während sich die Teenager anstarrten. Juliette war für die Feiertage aus dem Schweizer Internat zurückgekehrt, wohin sie ihre Rabenmutter deportiert hatte, nachdem sie die Liebe zu Alfred hatte unterbinden müssen. Nichts war mehr wie vorher und doch gab es eine tiefe Zuneigung. Genau wie heute, dachte Alfred. Juliette hatte sich nicht geändert, trotz Mann, Kindern und Kindeskindern, einer Karriere als Analytikerin. Sie war der lustige, unbeschwerte Backfisch geblieben, abenteuerlustig und illusionsbereit. All das ging ihm durch den Kopf, während Juliette und Moritz unvermeidliche Fachgespräche führten. Unterhalten sich Metzger privat auch immer über Fleisch? Sagen Sie, Kollege, wie oft klopfen Sie ein Schnitzel? Nun, das ist eine komplexe Frage …
    Ich habe dein Buch verschlungen. Und dann habe ich mal versucht, deine Theorie über die widerläufigen Effekte in einem Praxistest zu überprüfen, sagte Juliette.
    Und?, fragte Moritz kauend.
    Das ist ganz schön in die Hose gegangen.
    Moritz ließ das Besteck sinken.
    Wieso das denn?
    Weil das kein klassenspezifisches Problem ist.
    Moritz widersprach.
    Ich behaupte, dass der Mensch, der mehr Spielmöglichkeiten hat, sein Image zu gestalten, diese auch nutzt. Es ist wie in der Vogelwelt, wo sich die bunten Hähne aufplustern. Wer nichts zum Plustern hat, der hat zwar schlechtere Karten, aber ist wahrhaftiger.
    Juliette lachte, dann sah sie hinüber zu Alfred.
    Langweilst du dich, Darling?, fragte sie kokett.
    Nein, sagte Alfred, ich höre euch gern zu, wirklich.
    Moritz nahm die Serviette, wischte sich den Mund ab und sagte:
    Mein kleiner Bruder langweilt sich immer, wenn es nicht um ihn geht.
    Keiner kennt mich so gut wie dieser alte Mann.
     
    Der Regen passt, dachte Alfred, als er den Mercedes vor der roten Klinkerwand des Friedhofs parkte. Er stieg aus, lief um den Wagen herum und half Juliette beim Aussteigen. Sie hatte als praktische

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