Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Klee und Herr Feld | Roman

Herr Klee und Herr Feld | Roman

Titel: Herr Klee und Herr Feld | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Bergmann
Vom Netzwerk:
zu verreisen. Aber er brach seinen Schwur und ein Jahr später, als er in Hollywood arbeitete, besuchte ihn Moritz und sie kamen auf die Idee, einen Wagen zu mieten und nach Las Vegas zu fahren. Der Wagen hatte eine Klimaanlage, man konnte sich auf Liegesitzen ausstrecken, es gab nichts zu meckern. Während der Autoreise hatte Moritz plötzlich das Bedürfnis, etwas Extremes zu unternehmen und so bogen sie einfach von der Route 15 ab, in die Wüste. Irgendwann fanden sie nicht mehr zurück und landeten in einem Gebiet, das sich sinnigerweise »Rattlesnake Area« nannte. Moritz wurde panisch, die Dunkelheit fiel wie ein schwarzer Vorhang herunter und so entschlossen sie sich, im Auto zu übernachten und am frühen Morgen weiterzufahren.
    Müßig zu erwähnen, dass die Brüder kaum etwas zu trinken und lediglich ein paar Kekse dabeihatten, denn auf der Landstraße lockte üblicherweise alle paar Meilen ein Diner.
    Es war eine unruhige Nacht, denn Professor Kleefeld hört Schakale heulen, Schlangen klappern und Berglöwen knurren. Da die Klimaanlage zuerst auf »saukalt«, dann in der Nacht auf »mörderheiß« lief, machte der Wagen am nächsten Morgen nur einen kurzen Satz, dann war der Tank leer. Alfred, als Bandido, Mongole, Sklavenhändler, Kopfgeldjäger und Desperado in den Wüsten der Welt zu Hause, lief zu Fuß los. Wie in einem Western hatte Moritz mit sterbender Stimme geröchelt:
    Lass mich hier zurück und rette dich!
    Bereits jenseits des nächsten Hügels erblickte Alfred die Straße und kehrte nach einer Stunde mit einem Farmer auf dessen Pick-up und mit einem Benzinkanister zurück.
    In Las Vegas checkten sie im »Tropicana« ein und stürzten sich sofort in die glitzernde, surrende, klingelnde, klappernde, scheppernde, dudelnde Welt der Spielkasinos. Sie hatten ja nur einen Abend und da sollten die Millionen reinkommen! Alfred rannte zu den unterschiedlichen Slotmaschinen, zum Bingo, zum Black Jack, Roulette und den Würfeln und hatte nach knapp zwei Stunden sein Geld verloren. Betrübt kehrte er zu Moritz zurück, der immer noch an derselben Slotmaschine saß, die er seit zwei Stunden traktierte.
    Und?, fragte der, wie schaut es aus?
    Fünfzehnhundert verloren, sagte Alfred betrübt, und du?
    Nichts gewonnen, nichts verloren, antwortete Moritz.
     
    Am nächsten Morgen checkten sie aus und aßen bei McDonald’s noch ein »loser’s brunch«, das Essen für Verlierer zu sich, das es zum Billigtarif gab. Dabei beobachteten sie ein älteres jüdisches Ehepaar, das anscheinend sein gesamtes Vermögen eingesetzt und verloren hatte. Die beiden saßen nebeneinander, übernächtigt, sie in einem weißen Tüllfummel, er im beigefarbenen Dinnerjacket. Sie weinte, er starrte wie hypnotisiert an eine Wand, wo ein überdimensionales Foto von Elvis hing.
    Ab und zu fragte sie ihn unter Tränen:
    Sam, wie soll es denn jetzt weitergehen?
    Sam schwieg.
    Sam, wie kommen wir denn nach Hause?
    Sam hatte keine Antwort.
    Sam, wie kriegen wir denn die Kreditkarte zurück?
    Sam spitzte die Lippen.
    Sam, wie konnte das passieren?
    Auch dafür hatte Sam keine Erklärung.
    Irgendwann erhob sich Moritz, ging hinüber und sprach das Pärchen an. Man redete miteinander, dann zog Moritz zwei Hundert-Dollar-Scheine aus der Tasche und drückte sie Sam in die Hand. Er konnte gerade noch verhindern, dass ihm die Frau die Hände küsste, und kam zurück an den Tisch.
    Was sollte das?, fragte ihn Alfred.
    Der Greyhound nach Albuquerque, sagte sein Bruder, nebbich.
    Sie waren eine Stunde gefahren, als Moritz das Steuer übernehmen wollte. Alfred war dankbar, er war ziemlich müde und schlecht gelaunt. Als er auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, griff sein Bruder in die Brusttasche, holte wie in einem Mafiafilm ein zusammengerolltes Bündel Geldscheine heraus und warf es Alfred in den Schoß.
    Bist du verrückt? Was ist das?
    Tausendfünfhundert. Ich habe dreitausend gewonnen!
    Du ganef!, lachte Alfred und boxte seinem Bruder an den Oberarm.
    Wenn ich es dir in Vegas gegeben hätte, wäre es weg!
     
    Etwa drei Stunden, nachdem sie in Frankfurt losgefahren waren, verließen sie die Autobahn und kamen auf die Bundesstraße, die nach Zirndorf führte. Moritz faltete die Landkarte zusammen, die er auf den Knien gehalten hatte, und legte sie ins Handschuhfach. Zehn Minuten danach passierten sie den Ortseingang, wo praktischerweise auch ein Hinweisschild zum Hotel »Schwarzer Hirsch« stand, in dem sie reserviert hatten. Es war das

Weitere Kostenlose Bücher