Herr Klee und Herr Feld | Roman
Da gab es auch Straßenhunde, die um die Tische herumlungerten und hofften, dass etwas herunterfiel oder man sie fütterte. Und eines Abends sah ich Lupa und verliebte mich sofort in sie. Sie war noch jung. Ich teilte mein Abendbrot mit ihr und sie wich mir nicht mehr von der Seite. Ich nahm sie mit nach Rom, obwohl das idiotisch war. Ein Landhund in dieser großen Stadt, ein Herrchen, das selten zu Hause war. Wer sollte sich kümmern? Aber entgegen der Voraussage von Freunden lief alles perfekt. Wir entwickelten ein symbiotisches Verhältnis. Lupa lernte schnell, sie war klug und vernünftig, stellte sich sofort auf neue Situationen und neue Menschen ein. Trotz ihres Temperaments war sie extrem anpassungsfähig. Ich nahm sie mit auf Reisen, in Hotels, zu Freunden und zu Dreharbeiten, sie wurde zum Liebling der Filmcrews. Sie brauchte keine Leine. Selbst in mein Kino um die Ecke durfte sie mich begleiten und schlief unter meinem Sitz, während auf der Leinwand geballert wurde. Nur Hunde durften in den Filmen nicht bellen, da bellte sie mit und ich musste ihr die Schnauze zuhalten. Es entwickelte sich eine wirkliche Lebensgemeinschaft und ich habe von Lupa mehr bedingungslose Liebe bekommen als von irgendeinem Menschen. Ich habe sogar einmal eine Beziehung beendet, weil die Dame Lupa ablehnte. In ihren letzten Lebensmonaten wurde sie blind und konnte irgendwann auch nicht mehr gehen, wegen eines Tumors in der Wirbelsäule. Ich habe sie schließlich einschläfern lassen, habe Gott gespielt, was ich bis heute tief bereue und was mich immer noch schmerzt, obwohl es sicher richtig war. Sie liegt auf dem Tierfriedhof in Rom. Ich besuche sie jedes Mal, wenn ich in der Stadt bin. Am Grab meiner Mutter in Nizza war ich seit ihrer Beerdigung nie mehr.
Eine Dreiviertelstunde später standen sie vor Halinas Haus und verabschiedeten sich züchtig voneinander. Halina war nicht auf die Idee gekommen, Alfred zu fragen, möchten Sie noch einen Moment mit hinaufkommen?
Alfred hatte nicht vorgehabt, länger, als es die Höflichkeit verlangte, auf der Abschlussfeier des Films zu bleiben, aber dann erfuhr er, dass Ilona Illing bereits abgereist war und war erleichtert. Jetzt fand er es doch überraschend nett in dem Kellerlokal in Sachsenhausen, zwischen den Beleuchtern, den Kameraleuten, den Schauspielern und dem Produktionsstab. Merkwürdig, dachte er, wie oft hatte er es erlebt, dass sich Kollegen, die sich den gesamten Dreh über reserviert, ja teilweise gleichgültig verhielten, bei der Abschlussfeier auftauten und plötzlich mitteilten, wie großartig und menschlich einmalig sie diese Dreharbeiten empfunden hätten. Auch Alfred bekam Lob und Komplimente von Leuten, die er während des Drehens kaum bemerkt hatte. Man empfand es als wohltuend, dass ein internationaler Filmstar wie er so unprätentiös und kollegial aufgetreten war. Das meistgebrauchte Wort an diesem Abend war »professionell« und es klang ganz besonders komisch aus dem Munde jenes jungen, dilettantischen Regisseurs, der die mangelnde Professionalität in der Branche kritisierte. Er saß neben Alfred auf der unbequemen Eckbank, trank seinen fünften Äbbelwoi, hatte sich bei ihm untergehakt und sagte:
Freddy, super, du warst Weltspitze! Echt saugut. Ich wollte dich ja von der ersten Sekunde an haben. Die Rolle hatte ich auf dich geschrieben, echt, ehrlich wahr. Nur die Produktion dann so: Nee, der ist zu teuer, nee, der kann doch nicht mehr spielen, der ist nicht mehr textsicher und so. Aber ich habe an dich geglaubt und gewusst, dass du das bringst und dass wir das voll durchziehen, das war geil, echt super! Prost, Freddy!
Er hob sein Glas.
Prost, Uwe, sagte Alfred.
Ulf, verbesserte der junge Mann.
Dann tranken sie.
Als Alfred nach Hause kam, war Moritz noch wach und saß im Salon vor dem Fernseher.
Er machte das Gerät leise und fragte:
Na, wie war’s?
Das Übliche, meinte Alfred und setzte sich in seinen Sessel, man bleibt jetzt für immer in Verbindung und der Regisseur schreibt ein Drehbuch, nur für mich.
Moritz lächelte. Dann sagte er:
Weißt du was? Was hältst du davon, wenn wir auch wegfahren, wenn Zamira nicht da ist?
Okay, meinte Alfred, wohin willst du?
Nach Zirndorf.
Alfred war überrascht.
Du willst dich auf die Spuren deines Vaters begeben?
Unseres Vaters.
Der ICE aus Zürich sollte um 13 Uhr 53 eintreffen, hatte aber eine Viertelstunde Verspätung. Das war keine Überraschung, stellte Alfred fest, es war in den
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