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Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern.

Titel: Herr Klingsor konnte ein bißchen zaubern. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Schule mit einem Gesicht, als ob sie Geburtstag hätte. Und als ihr im Treppenhaus, natürlich ganz zufällig, der Herr Klingsor begegnete, rief sie ihm voller Freude zu: »Stellen Sie sich nur vor, was passiert ist! Gestern haben wir von Studentennelken gesprochen - und heut früh liegt vor meiner Wohnungstür ein ganzer Strauß davon. Und das Ende November! Aber ich kann mir schon denken, von wem sie sind ...«
    »Wirklich?« Herr Klingsor fragte es nicht ohne leichtes Herzklopfen.
    »Oh ja!«, antwortete das Fräulein Ernestine und wurde tatsächlich ein bisschen rot dabei, was ihr besonders gut zu Gesicht stand.
    Von jetzt an sorgte Herr Klingsor dafür, dass das Fräulein Kilian jeden zweiten Morgen einen Strauß Studentennelken auf der Schwelle zu ihrer Wohnung vorfand. Und dies Ende November, wie gesagt!
    Und das Fräulein Ernestine? Jeden zweiten Tag sah sie noch ein bisschen hübscher aus als zuvor, jeden zweiten Tag wirkte sie noch ein bisschen vergnügter. Bis sich Herr Klingsor endlich ein Herz fasste. »Sagen Sie, Fräulein Kollegin«, fragte er sie im Lehrerzimmer, wobei er ihr aus dem Mantel half. »Und Sie können sich wirklich denken, von wem Sie die Blumen verehrt bekommen?«
    »Aber ja, Herr Kollege Klingsor! Ich weiß zwar nicht, wie er das Ende November schafft - aber eigentlich können sie nur vom Herrn Fachlehrer Teubner sein.«

    Da war es Herrn Klingsor, als habe ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.
    Herr Josef Teubner, Fachlehrer für Geschichte und Deutsch an der Ersten Bürgerschule für Knaben in Reichenberg! Ein nicht mehr ganz junger, nicht mehr ganz schlanker, aber gescheiter und freundlicher Mensch. Immer gut aufgelegt, immer gut angezogen. Und ausgerechnet ihn, den Herrn Teubner, hatte das Fräulein Kilian in Verdacht mit den Blumensträußen vor ihrer Wohnungstür ...
    »Was Sie nicht sagen! Und sonst käme niemand infrage, Fräulein Kollegin?«
    »Ach, wissen Sie - der Herr Fachlehrer Teubner macht mir ja schon seit langem den Hof. Eigentlich mag ich ihn auch ganz gern. Und seit er mir regelmäßig die Blumen schickt, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich ihn nehmen werde.«
    Ja, so war das nun leider.
    Zwar konnte ITerr Klingsor ein bisschen zaubern, das wissen wir - aber was half ihm das? Wenn sich das schöne junge Fräulein Ernestine Kilian dazu entschlossen hatte, den Herrn Fachlehrer Teubner zum Mann zu nehmen, dann konnte, mehr noch: dann durfte Herr Klingsor nichts daran ändern.
    Acht Tage später entdeckte er in der Samstagsausgabe der Reichenberger Zeitung eine Anzeige:

    Nachdem er die Anzeige gelesen hatte, legte Herr Klingsor die Zeitung aus der Hand und blieb eine Weile ganz still sitzen. Dann schrieb er zunächst, wie sich das gehört, einen Glückwunsch an das verlobte Paar. Und danach schrieb er ein Gesuch an die kaiserlich-königliche Landesschulinspek-tion in Prag, worin er aus persönlichen Gründen um seine Versetzung an einen anderen Ort bat -und zwar möglichst weit weg von Reichenberg.

Rascher Bescheid
    Die kaiserlich-königliche Landesschulinspektion in Prag war dafür bekannt, dass sie sich mit ihren Entscheidungen keineswegs übereilte. Wer ein Gesuch bei ihr eingereicht hatte, musste normalerweise damit rechnen, dass er frühestens nach Ablauf eines halben Jahres einen Bescheid erhielt. Und der Bescheid fiel ganz und gar nicht immer so aus, wie man sich ihn erhofft hatte.
    Anders erging es Herrn Klingsor. Mag sein, dass er das bewusste Gesuch mit einer besonderen Tinte geschrieben hatte oder auf einen besonderen Briefbogen. Mag sein, dass er zwei Mal leicht mit den Fingern geschnalzt und einen seiner geheimen Sprüche gemurmelt hatte, bevor er den Umschlag mit dem Gesuch in den Briefkasten steckte. Und nach allem, was sich kürzlich in der Lesestunde
    zugetragen hatte, dürfte wohl auch der Herr k. k. Stadt- und Bezirksschulinspektor Tschörner das Seine dazugetan haben ...
    Es vergingen jedenfalls keine zehn Tage, da erhielt der Herr Klingsor aus Prag ein amtliches Schreiben der k. k. Landesschulinspektion. Darin wurde ihm mitgeteilt, seinem Ansuchen werde stattgegeben: Mit Wirkung vom 1. Jänner nächsten Jahres habe man ihn der einklassigen Volksschule von Hinterseifen im Erzgebirge zugeteilt. Diese Entscheidung wurde mit zwei schwungvollen Unterschriften und drei aufgestempelten Dienstsiegeln

    Hinterseifen war ein ganz, ganz kleiner Ort, dicht an der böhmisch-sächsischen Grenze, wo sich, wie man so schön zu sagen pflegt, Fuchs und

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