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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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Strandkorb 1051 gemietet habe, gebeten worden, sich um ihre beiden Kinder zu kümmern, da die Mutter plötzlich zu einer kranken Verwandten habe fahren müssen, und nun säßen da einfach Jugendliche drin, und sein Verdacht sei, dass sie die beiden Kinder vertrieben hätten. Herr Merse war aufgebracht und dadurch so überzeugend, dass der Strandkorbverleiher augenblicklich mit ihm sympathisierte, in seinem Heft nachschaute und ihm recht gab: Ja, der Korb 105 1 sei von Frau Luner bis zum 21 . Juli inklusive gemietet und bezahlt worden, und ja, immer wieder komme es neuerdings vor, dass sich da Jugendliche einfach reinsetzten und zahlende Kurgäste verjagten.
    Während er von Wochenendtouristen erzählte, die am Strand übernachteten, keine Kurtaxe bezahlten und neben die Süßwasserduschen pinkelten, floss der Name LUNER samtig in Herrn Merses Saugraum und füllte ihn mit seinem Klang bis an den Rand. Mühsam hielt er Kontakt zu seinem Anliegen und zur Realität des Strandkorbvermieters, indem er die Segelschifftätowierung auf dessen rechtem Arm fixierte. Ohne abzuwarten, stampfte der untersetzte, braun gebrannte Mann mit Herrn Merse im Schlepptau auf die Nummer 1051 zu, aber die Jugendlichen hatten bereits Reißaus genommen, der Korb war leer. Herr Merse war erleichtert und zugleich beschämt, dass er Hilfe gebraucht hatte gegen zwei Halbwüchsige ( » Schisser– Pisser«!). Der Strandkorbverleiher sagte gutmütig, er solle ihm Bescheid geben, wenn es wieder Probleme gebe, und Herr Merse sah ihn dankbar an. Er schob die 1051 ein Stückchen vor, so dass er den Korb von der Lok aus im Blick hatte, und zog sich zurück.
    Luner. So hieß sie also. Er begann vor Freude zu vibrieren. Luner. Er platzte fast. »Luner« klang wie »Luna«. Fast zu schön, um wahr zu sein. Er murmelte den Namen leise vor sich hin. Er liebte ihn auf Anhieb. Wie gut der Name zu ihr passte! Weich, dunkel, leicht. Er lächelte selig. Luner. Darauf fällt dir nix ein, Dagmar. Darauf reimt sich nix.
    Dann überkam ihn Unruhe. Sie hinderte ihn am Lesen, trieb ihn ins Wasser. Er warf sich mit aller Kraft durch die Wellen. Stellte es so an, dass er die Wellen frontal abbekam und sie gegen seine Brust klatschten. Es brannte auf der Haut. Wo er noch wund war von der abgerissenen siamesischen Hülle.
    * * *
    Er verbrachte den halben Tag in rastlosem, müdem und gleichzeitig überwachem Zustand zwischen Süßwasserduschen, Meer und Korb, aß sein Picknick, versank in minutenlanges Dösen mit dem Luner-Namen im Ohr, sprang wieder auf: Wo waren die Kinder? Hatten sie mit den Rettungsschwimmern einen Ausflug gemacht? Musste er sich kümmern? Oder war das Einmischen?
    Er zog sich in die Wohnung zurück, absolvierte sein Übepensum halbherzig und unkonzentriert. Schließlich hielt er die Spannung nicht mehr aus und begab sich zur Kurverwaltung, wo er erneut die Geschichte von der notfallartig abgereisten Frau Luner auftischte, die er mit heimlich stolzer Selbstverständlichkeit eines alten Bekannten beim Namen nannte, um deren Kinder er sich kümmern solle, die aber nicht erschienen seien, so dass ihn die Sorge umtreibe, ob sie vielleicht krank seien und seine Hilfe bräuchten. Er erzählte von dem Sonnenbrand des Jungen; vielleicht habe er eine Hitzeallergie oder ein Hitzefieber entwickelt, einen Hitzschlag… Zu seiner Verwunderung rückte die Frau am Tresen ohne Umstände mit der Adresse heraus; offenbar wirkte er ehrlich und besorgt: Pension Strandmöwe im Lerchenweg.
    Aufgeregt radelte Herr Merse los. Er passierte den Wenningstedter Dorfteich, zwinkerte den dortigen Enten und Haubentauchern zu (Schluss mit Entenhosen und Pillenhäubchen, Dagmar! Ich tauche auf!) und klingelte an der Haustür der Pension mit einer neuen Zielstrebigkeit (Eige nschaft?), bevor er überlegt hatte, was er eigentlich sagen wollte. Auf die leicht gestotterte Frage nach der » Familie Luner« zeigte die Zimmerwirtin mit ihrem rot lackierten Finger auf eine Holztreppe: » Oben im ersten Zimmer links. Da wohnt Frau Luner mit ihren beiden.«
    Herr Merse stieg pochenden Herzens die Treppe mit dem Sisalläufer hinauf, klopfte an, hörte ein unbestimmbares Geräusch, zögerte einen Moment und öffnete die Tür. Natascha und Joel saßen auf einem mit braunem Cordstoff bezogenen Sofa und guckten in den Fernseher, den sie sich direkt vor den Couchtisch gezogen hatten. » Hallo«, sagte Herr Merse. » Ich wollte nur mal nach euch schauen. Ihr wart gar nicht am Strand, und da dachte ich,

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