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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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Joel hätte vielleicht so schlimmen Sonnenbrand, dass er Hilfe braucht…«
    » Ja, hab ich auch«, sagte Joel und zeigte seine blaurot gefärbten Unterarme. Er schien nicht verwundert über Herrn Merses Erscheinen. Natascha sagte nichts. » Habt ihr denn was zum Verarzten?«, fragte Herr Merse. Als keine Antwort kam, schlug er vor, mit Joel in die Apotheke zu gehen. Der Junge stimmte gleich zu. Natascha nickte. » Wollen wir hinterher Pizza essen?«, fragte Herr Merse mutig. (Mutig! Neue Eigenschaft.) Zu seiner Überraschung nickte Natascha wieder und machte den Fernseher aus.
    Auf dem Weg zur Apotheke fragte Herr Merse das eine oder andere aus ihnen heraus. Sie hatten offenbar lange geschlafen, Cornflakes gegessen und den ganzen Tag ferngesehen. Die Mutter hatte sich nicht gemeldet. » Sie ist zu ihrem Chef«, erfuhr er von Natascha. » Der hat ’nen Nervenzusammenbruch. Ist im Krankenhaus. Pleite gegangen mit seiner Klitsche.« Sie sprach abfällig von einem Buchladen, in dem ihre Mutter arbeitete. Herr Merse fragte, ob denn ihr Vater nicht kommen könne. Keine Antwort. Er wechselte schnell das Thema: » Könnt ihr Skat?« Wieder überraschte ihn Natascha damit, dass sie nickte. Sie erzählte von ihrer Schule, einem musischen Gymnasium, wo sie in den Biologie- und Erdkundestunden Skat spielten. » Um Gras.« Ob sie angab? Joel spielte nicht Skat, beteuerte aber, es lernen zu wollen.
    Der frühe Abend verging mit Herrn Merses geduldigen, Nataschas gereizten Skaterklärungen und ersten Spielversuchen mit offenem Blatt, das der Kellner ihnen gegeben hatte; zunächst in der Pizzeria, dann auf Herrn Merses Vorschlag im Strandkorb, und zwar in der 1051 . » Ihr müsst euch hier blicken lassen«, meinte er. » Sonst wird der Korb von fremden Mächten besetzt.« Die Spielregeln waren kompliziert, im Strandkorb fehlte der Tisch, Joel ermüdete, und auch Herr Merse gähnte. Er spürte das frühe Aufstehen. » Wollen wir morgen weitermachen?«, fragte er. » Warum tun Sie das für uns?«, fragte Natascha zurück. Er zuckte die Achseln. » Einfach so. Ich bin allein und hab Zeit«, hörte er sich sagen. » Sind Sie Lehrer?«, fragte sie weiter. » Nein. Ja. Hornist. Hornlehrer.« Joel guckte überrascht. Er schien eine Frage zu unterdrücken.
    Herr Merse begleitete die Kinder zum Lerchenweg. Natascha schaute auf ihr Handy. » Mama kommt morgen wieder! Hat sie gerade gesimst.« Joel lächelte freudig, während Herr Merse zu verbergen suchte, wie diese Nachricht ihn glückdurchflutete. » Na schön, dann ist ja alles wieder in buster, äh, bester Mutter. Mit Butter«, alberte er. Natascha sah ihn an, und er fühlte sich durchschaut von ihrem glasklaren Blick aus den hellblauen kühlen Augen. Er wendete sich ab, um das Erröten zu verbergen, das er heiß den Hals hoch in die Wangen steigen spürte.
    Zu Hause lag vor seiner Tür ein kleines Päckchen: Frau Niebuhrs Büchersendung mit Dagmars Tagebuch. Sie musste es sofort abgeschickt haben. Er riss es auf, eine Karte fiel heraus. » Lieber Herr Merse«, las er, » hier das Verlangte. Die Blumen sind gut versorgt, alles geht seinen Gang hier. Weiter gute Erholung! Herzlichen Gruß, Alma Niebuhr.« Er nahm sein Handy heraus, wählte ihre Nummer und bedankte sich. » Das war ja wohl dringlich, da hab ich ’s gleich zur Post gebracht«, sagte sie.
    Herr Merse legte das Tagebuch auf ein Regal. Es war ihm unmöglich, sich jetzt damit zu befassen. Zu belasten. Es würde ihm nicht guttun, er war zu beschäftigt, er war angefüllt bis unter den Rand, das Tagebuch störte. Er schob es unter die anderen Bücher, wollte es nicht sehen, verflixt, warum hatte er es überhaupt bestellt? Was sollte dieser alte Kram in seinem neuen Luner-Leben?
    Herr Merse legte sich ins Bett und sortierte in aller Ruhe, was er von Frau Luner wusste: den Namen, die Buchhandlung, den kranken Chef, die drohende oder tatsächliche Insolvenz. Ganz sicher hatte sie ein Liebesverhältnis mit diesem Chef, sonst wäre sie nicht zu ihm ins Krankenhaus gefahren. Aus ihrem Urlaub! Also alles klar. Pech gehabt. Die Bleiente sank.
    Nein. Er ballte die Faust. Es könnte doch auch sein, dass sie einfach nur seine » rechte Hand« war und nun retten musste, was zu retten war. Vielleicht waren Luners knapp bei Kasse, und sie war nur zu bereit, ihm zu helfen, um ein bisschen Extrageld zu verdienen. Aber passte ein Sylturlaub mit wochenlang gemietetem Strandkorb zur knappen Kasse? In der Hochsaison?
    Das schwierigste Thema war

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