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Herr Merse bricht auf

Herr Merse bricht auf

Titel: Herr Merse bricht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Nohr
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und das. Du weißt schon. Es ist kalt nachts auf dem Sand.« Sie nickte Herrn Merse zu und nahm Joel bei der Hand. Er ließ sich ohne Widerstreben in die Pension bringen, zu müde zum Protestieren. » Ich warte hier unten«, sagte Herr Merse.
    * * *
    Er wartete nicht lange. Wanderte auf und ab und saugte den Duft der Je-länger-je-lieber ein. In ihm schwirrten die Eindrücke des Abends. Es waren zu viele zum Sortieren, er ließ alles durcheinanderpurzeln, wie es kam, und gab sich dem Gefühl hin, das in ihm aufgestiegen war, als Frau Luner sich zu ihm umgedreht und ihn angelächelt hatte. » Sie ist eine Glücksmantelmadonna!«, sagte er mit unterdrückter Stimme zu Johannes. Der nickte. Er komponierte gerade das Lied: » Es kehrt die dunkle Schwalbe aus fernem Land zurück…«, und wollte nicht gestört werden. Herr Merse nahm sich vor, Frau Luner vorzuschlagen, ob sie es nicht mal mit ihm singen wolle. Er würde sich die Klavierstimme einbimsen, o ja, das würde er. » Die ist aber schwer«, meinte Johannes. » Da musst du dich ranhalten.«
    Er hörte die Tür gehen und drehte sich schnell zur Pensi on um. Frau Luner trat auf ihn zu. Sie trug jetzt eine Jeans und einen hellen Pullover. » Sie haben schon ganz schön Farbe!«, sagte Herr Merse, obwohl er die Wendung » Farbe haben« blöd fand. Außerdem drückte sie nicht aus, was er viel lieber gesagt hätte. Dass er sie stundenlang anschauen könnte. Dass ihre Augen so glänzten– wovon? Wovon hing es denn ab, dass Augen glänzen? Dagmars Augen hatten auch manchmal geglänzt. Nach Vorspielen zum Beispiel. Wenn sie halbwegs zufrieden gewesen war, wenn andere auf sie zukamen und sie lobten. Oder auf Festen, beim Lachen. Aber wenn nur sie beide zusammen waren, blieben sie meist glanzlos. Nicht ganz matt, aber ohne inneres Leuchten.
    » Sie sind in Gedanken«, schmunzelte Frau Luner. OGott, jetzt hatte er sie bestimmt selbstvergessen angestarrt. » Ich hab über Ihren Vornamen nachgedacht«, sagte er tapfer. » A. Was ist es? Astrid? Anna? Oder… Anemone?« Er erschrak. Diese Frage stand nicht auf dem Zettel. » Anemone! Das wäre schön!«, lachte sie. » Aber leider ist es nur Annemarie. Manche sagen Anne, manche sagen Marie.« » Was sagt Ihr Chef?« (O Gott.) Frau Luner schwieg. » Wie möchten Sie denn angeredet werden?«, schob Herr Merse schnell nach. Was ging ihn ihr Chef an? Keine Frage mehr zum Chef. Keine.
    Sie kamen beim Strandkorb an, und die Peinlichkeit verlor sich im Aufschließen und Einrichten des Korbs. Als sie ihn so herumgewuchtet hatten, dass die Öffnung zur untergehenden Sonne schaute, schlug Frau Luner vor: » Ach, gehen wir doch noch mal zum Wasser.« Eine lang gezogene Wolke hatte sich vor den roten Sonnenball gelegt; sie war innen hell, nach außen hin rosa umrandet. » Als ob dahinter ein leuchtender Festsaal wäre, oder?«, sagte Frau Luner, und Herr Merse nickte. » Der Himmel feiert.« Fast ohne Wellen lag das Wasser als glitzernde Weite vor ihnen. Es war Ebbe und windstill. Herr Merse hob einen flachen weißen Stein auf, ideal zum Ditschen, bückte sich und schleuderte ihn über die grausilberne Oberfläche. Der Stein rutschte ihm zu früh aus der Hand und versank, ohne zu hüpfen. Ruhig bückte sich Herr Merse erneut. Beim zweiten Mal klappte es gut. Sie zählten zusammen laut mit: eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs. » Gestern hatte ich sieben Hüpfer«, sagte er. » Wie sieben Leben. Heute ist eines vorbei.« Er hätte gern gesagt: » Seit ich Sie kenne, ist mein altes Leben vorbei«, aber fand es zu pathetisch. Frau Luner versuchte es auch mit dem Ditschen. Sie lachte dabei wie Natascha. Sie kam auf vier Hüpfer. » Vier wie– wie was?« Ihr fiel nichts ein. Er sagte: » Wie eine Familie.«
    Bevor Herr Merse im Strandkorb mit seinen Fragen loslegen konnte, griff Frau Luner das Familienthema auf. » Sind Sie vier? Haben Sie Familie? Jetzt sind Sie aber dran mit Erzählen!«, sagte sie mit spielerisch erhobenem Zeigefinger. Herr Merse ergriff sein Glas. » Wollen wir erst einmal anstoßen? Auf die Feier im Himmel?« » Ja, aber nicht auf den Himmel, sondern auf Sie und Ihre Freundlichkeit«, sagte Frau Luner. Herr Merse bestand aber auf der Himmelsfeier. » Also gut. Der Himmel feiert die Guten«, lenkte sie ein. Spaßend und doch feierlich stießen sie an. Barbaras Ikea-Weingläser klangen überraschend zart. Celesta, dachte er. Das wäre ein Handyton für mich. Sie tranken ihre ersten Schlucke Wein, Frau Luner lehnte sich

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