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Herr Möslein ist tot (German Edition)

Herr Möslein ist tot (German Edition)

Titel: Herr Möslein ist tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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drauf? Wir haben doch erst einen Becher Murfatlar getrunken.« Gisi schenkt uns eilig nach.
    »Doch, doch. Ich kenne ihn. Von einem Auftritt«, lüge ich. »Bitte, Gisi! Hilf mir. Ich habe schon fast die ganze Arbeit gemacht und sogar die Telefonnummer seiner Mutter rausbekommen!«
    »Na, kannste nicht selber anrufen?« fragt Gisi verständnislos.
    »Natürlich nicht. In unseren Telefonzellen wird bei Gesprächen nach Westberlin mitgehört, und ich werde nicht für Horch und Guck meine Geheimnisse preisgeben! Und außerdem, ich hab’s ja schon versucht. Frau Lummer wiegelte ab.«
    »Tati, warum sollte sie dann meinem Cousin Rede und Antwort stehen?«
    »Weil er nicht aus der DDR anruft«, sage ich.
    »Warum soll sie ihm glauben, dass er ein Westberliner ist?«
    »Stimmt, man kann die Nummer der Anrufer gar nicht auf dem Display sehen!«, stöhne ich deprimiert auf. Gisi guckt daraufhin genauso verwirrt wie bei der »Festpladde« in der Kaufhalle. Bevor sie etwas erwidern kann, denke ich laut weiter. »Kann dein Cousin vielleicht rauskriegen, wo sie wohnt? Im Telefonbuch. Und dann gucken gehen, ob Carsten aus der Tür kommt. Oder einfach klingeln.«
    »Wie viele Stunden soll mein berufstätiger Cousin denn mit so einem Unsinn vergeuden?« Gisis Blick verrät mir, dass sie zwischen Fassungslosigkeit und Irritation über mein in ihren Augen schwachsinniges Vorhaben hin und her gerissen ist.
    »Hast du eine bessere Idee?« Ich trinke missmutig und enttäuscht den klebrig süßen Wein. Gisi scheint ziemlich genervt, trinkt einen Schluck und zeigt mir mit ihrer nächsten Frage, dass sie mir trotzdem helfen möchte.
    »Weißt du, wo dein Carsten arbeitet?«
    »Carsten ist Kellner in einer Bar oder Gaststätte in Westberlin! Wahrscheinlich!«
    »Was meinst du mit wahrscheinlich?«
    Ich atme keuchend aus, weil genau das mein Problem ist. »Wahrscheinlich ist er in Westberlin, wenn seinem Ausreiseantrag schon stattgegeben wurde! Ansonsten ist er noch in Forst und arbeitet als Restaurantfachmann in der Schwarzen Rose.«
    »Und jetzt willst du meinen Cousin losjagen, statt selbst erst mal in Forst zu gucken, ob du ihn triffst?« Gisi zweifelt jetzt zu Recht an meinem logischen Denkvermögen. Ich setze meinen dritten, soeben geleerten Becher Süßwein ab und schlage mir mit der Faust an die Stirn. »Oh Gott, bin ich blöd. Natürlich! Ich kann nach Forst fahren und dort vorsichtig Erkundigungen einholen.«
    »Und wenn du danach nicht schlauer bist, kann ich immer noch meinen Cousin in die Spur schicken, okay?« Gisis Zunge bewegt sich schon ein wenig verzögert.
    »Genau«, jubele ich, »so machen wir’s. Prost, Gisi!«
    »Vielleicht machen wir ja zusammen einen Ausflug nach Forst. Wir können auch Rudi und die Kinder mitnehmen.« Gisi will mir wirklich helfen. Toll, wenn man so gute Freunde hat.
    »Prost! Großartige Idee! Da könn wa mit euerm nikotingelben Wartburg fahrn!«
    »Jawoll! Aber der is nich nikotingelb, dis heißt champagnerbeige!«
    »Von mir aus. Prost.« Ich hebe meine Becher optimistisch in die Höhe.
    »Prost, Tati! Geht seinen sozialistischen Gang!« Gisi stößt ihren Becher gegen meinen und verplempert den kostbaren Wein.
    »Nicht sozialistischen Gang. Soll schon klappen!«, erwidere ich, von der neuen Perspektive total begeistert.
    »Na klar, unwann?«, fragt Gisi.
    »Nächsen Sonnamd?«
    »Isklar! Übermorgen. Meinste, wir kriegen n Platz inner Schwarzen Rose? Sonnamd?«
    »Müssen wa früh los. Yeah, übermorgen!« Meine Stimme überschlägt sich, und mein Kopf ist so begeistert betrunken, dass er mich sagen lässt: »Un vielleicht kann dein Cousin ja doch noch ma ssu Schwiemu hingehen un ma fragen. Die Annschrift kanner ja googeln.«
    »Tati, ich vastehe nich. Wat kugeln?«
    »Einfach rin in PC . Wird schon. Prost, Gisi!«
    »Prost, Tati … un wirste schnell wieder klar in Kopp, ja?«
    »Machich!«

Wer die Rose …
    Die frühen Sonnenstrahlen des sich verabschiedenden Septembers machen Schlieren und Streifen auf der Frontscheibe des nikotingelben Wartburgs sichtbar. Wir holpern über die Autobahn, die diesen Titel wegen ihrer Einspurigkeit und der Schlaglöcher nicht verdient hat, Richtung Cottbus. Im September ’ 89 flüchteten 35 000 DDR -Bürger Richtung Westen, und wir fahren in den tiefsten Osten – nach Forst. Gisi hat das Steuer übernommen und Rudi auf den Beifahrersitz verbannt, weil sie fürchtet, uns sonst mit den Beschimpfungen ihres Ehemanns und aller anderen Penner und Hackfressen auf

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