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Herr Tourette und ich

Herr Tourette und ich

Titel: Herr Tourette und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelle Sandstrak
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den Schrank mit den Karren aufzuschließen. Er hat ihn aufgeschlossen, und ich habe gezählt, Blech für Blech. Und was habe ich festgestellt? Nun … auf neun von zehn Blechen habe ich vierunddreißig Zimtschnecken gefunden, und nicht sechsunddreißig. Auf dem zehnten Blech lagen neununddreißig. Aha, dachte ich. Vielleicht hat der Junge meine Einarbeitungshinweise falsch verstanden, aber ich habe doch, und das können die anderen aus der Einarbeitungsphase bestätigen, deutlich gesagt, dass auf jedem Blech sechsunddreißig Zimtschnecken liegen müssen, nicht vierunddreißig oder neununddreißig … also … hast du dich verhört, oder habe ich mich unklar ausgedrückt?«

    »Ich glaube …«

    »Hier in der Konditorei glauben wir nicht, hier handeln wir nach unserem eigenen Verstand. Also bin ich in den Urlaub gefahren und dachte mir, dass du falsch gehört, falsch gezählt oder ganz einfach meine Einarbeitungshinweise falsch verstanden hast. Aber gestern früh, als du um 9.25 Uhr deine Frühstückspause gemacht hast, da habe ich die Bleche durchgezählt, um zu sehen, ob immer noch vierunddreißig und nicht sechsunddreißig Zimtschnecken auf dem Blech liegen. Und was stelle ich fest? Ja, du hast inzwischen sogar neunundvierzig Zimtschnecken auf jedes Blech gelegt. Ich kann mich ganz ehrlich nicht erinnern, dass sich jemand je so verantwortungslos und rücksichtslos gegenüber seinen Kollegen verhalten hätte, ja, nicht einmal die dummen Finnen vom Versand benehmen sich so. Kurz gesagt, dein Verhalten kann nicht toleriert werden. Wir können dich nicht hier behalten. Es tut mir leid, aber so ist es nun mal in dieser Branche. Wir müssen auf diejenigen setzen, an die wir glauben. Und wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass wir nicht an dich glauben. Du wirst deinen Arbeitsplatz verlassen … jetzt sofort.«

    »Jetzt?«

    »Jetzt sofort. Hast du noch Fragen?«

    Zucken im Bauch, Geräusch .

    »Nashornarsch …«

    »Was hast du gesagt?«, fragt Johansen.

    »Ich habe gesagt … darf ich die Rabattkarte behalten?«

    Darf ich nicht. Aus Sicherheitsgründen.

    Ich merke nicht, dass ich dem Zusammenbruch nahe bin. Was mich betrifft, ist immer noch der Buddha- und Lügnerjob das Entscheidende. Am nächsten Tag auf dem Weg zur Schule schaffe ich es, bei einem anderen Job anzurufen, und ich schaffe es auch, den zu kriegen: Lagerassistent in der größten Marzipanfabrik des Landes. Arbeitsbeginn am nächsten Montag.

    Am nächsten Montag. Die Marzipanfabrik.

    Meine Aufgabe ist es, Marzipanteig zu stemmen. Es geht um in Plastik eingeschlagene zehn Kilo schwere Marzipanbrote, die von Lager 1 in Lager 4 gebracht werden müssen. Der Transport geschieht mit Hilfe von Gabelstaplern, und ich bin einer von denen, die die Ladefläche des Gabelstaplers mit Marzipanteigbroten beladen müssen. Es spielt keine große Rolle, wie viele Marzipanlaibe ich auf die Ladefläche lege, denn der Gabelstapler kann eintausend Kilo wuchten, und so viel Marzipan gibt es sowieso nicht in Lager 1. Ich arbeite mit unbehandelten Teigen, nicht mit fertig behandeltem Marzipan.

    Der Gabelstaplerfahrer Bahmad zeigt mir alles in circa zwanzig Minuten. Er ist klein und behände, und er fährt den schicksten Gabelstapler, den mit Radio drin.

    Es piept in der Lautsprecheranlage, das grüne Licht leuchtet, und das heißt, es ist Marzipan auf dem Weg. Ich arbeite allein, aber wir sind vier, die sich den Tag teilen. Ich nehme die Morgenschicht, von sechs bis zwölf. Das Marzipan rutscht heran, drängt sich an der Gummitür vorbei, die sich für jeden Teig geschmeidig und geräuschlos automatisch öffnet. Wenn zehn Stück Teig rausgekommen sind, dann halte ich das Fließband an und beginne mit dem Umladen des Marzipans vom Fließband auf den Gabelstapler. Wenn die zehn Teige ordentlich nebeneinander auf dem Gabelstapler liegen, dann drücke ich einen riesigen grünen Knopf, auf dem » GO « steht. Und wenn ich auf GO drücke, dann piept es wieder, die Lampe leuchtet grün, und zehn neue Marzipanteige sind unterwegs. Und immer so weiter. Das Einzige, was die Routine stört, ist eine obligatorische, dreißigminütige Pause. Da gehe ich in den Lagerspeisesaal, kaufe mir einen Kaffee und eine Schnecke, eine Zimtschnecke. Ich begegne bei der Arbeit nicht vielen anderen, meist bin ich in dem großen Lager allein. Die Gabelstaplerfahrer begrüße ich, wenn sie kommen und den Anhänger an den Stapler kuppeln. Aber sie scheinen völlig in ihrer eigenen Welt zu sein,

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