Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
diese Bombe rechtzeitig zu entschärfen.
Hat er geschafft.
Pulheim
Die netten Damen von der Buchhandlung servieren ihrer Kundschaft selbst gefertigtes Käsegebäck. Da es Weißwein zum Keks gibt, füttert die Zuhörerschaft enthemmt Fremdhunde.
Ich muss mich keine Minute um Luna kümmern.
Sie ist mit Schnorren beschäftigt.
Ahlen
Wo andere Publikümer vor Lachen zusammenbrechen, schmun zelt der Ahlener höchstens. Selbst die Geschlechtsverkehrpassage bei Eddie the Beagle , eigentlich ein Garant für anhaltendes Gejohle, wird nur mit verhaltenem Lächeln gewürdigt.
Ich bin irritiert und verzweifle langsam.
Die kriegst du nie gepackt, denke ich.
»Das war sooo schön«, freut sich am Schluss die Buchhänd lerin. »Die sind ja heute dermaßen aus sich rausgegangen.«
Als ich sie mit kugelrunden Augen anstaune, erklärt sie nur:
»Westfalen!«
Bad Lippspringe
In der fünfundvierzigsten Lesungsminute verschwindet Luna aus meinem Sichtfeld. Wenig später höre ich hinter meinem Rücken dramatisches Reißen von Papier. Das darf jetzt nicht wahr sein! Luna frisst doch keine Bücher. Im zarten Alter von sechs Monaten hat sie einen Harry Potter angenagt. Seither nie wieder! Bücherschreddern ist eine Baustelle, die wir nie hatten. Warum denn ausgerechnet jetzt?
Als das Reißen immer lauter wird, unterbreche ich kurz und gehe meine Luna suchen. Ich finde sie in der Bilderbücherecke, wo sie eine aus dem Büromülleimer gemopste Brötchentüte fein säuberlich in Streifen zerlegt.
Duisburg
Perfekter kann ein Timing nicht sein. Während ich erzähle, wie Luna in Bad Lippspringe eine aus dem Büromülleimer gemopste Brötchentüte fein säuberlich in Streifen zerlegt, mopst Luna aus dem Büromülleimer eine Brötchentüte und zerlegt sie fein säuberlich in Streifen.
Davon wird hinterher nichts in der Zeitung berichtet. Dafür steht in der Überschrift in fetten Lettern Frey Dodillot . Nachnamen werden überschätzt.
Versmold
Während wir hinter der Bühne auf unseren Auftritt warten, stöbern wir in Hundeforen nach wunderlichen Diskussionen. Das ist immer ein gutes Warm-up.
Wir werden schnell fündig. Die hygienebewusste Halterin eines Schäferhundmischlings wünscht nicht, dass der Hund in ihrer Abwesenheit aufs Bett hopst, und möchte es ihm mithilfe eines fernbedienten Sprühhalsbands mit Limettenduft abgewöhnen.
Dafür gibt es zunächst mächtig Prügel von allen Seiten. Nachdem sich die Wogen der Empörung über diese ignorante Brutalohalterin und ihr tierschutzrelevantes Treiben geglättet haben, kommen konstruktive Vorschläge, wie sich das Problem lösen lässt, ohne dass der arme Hund ins Meideverhalten getrieben wird. Unter anderem wird empfohlen, einen Elek trozaun um das Bett zu bauen oder zwanzig gespannte Mause fallen auf der Steppdecke zu platzieren.
Unbezahlbar! Eine Sternstunde bundesdeutschen Forenschaffens.
Gegen acht ist der Zuschauerraum voll, der Scheinwerfer an und der Star des Abends angekündigt. Wie üblich bin das nicht ich!
Meine Diva fegt auf die Bühne, schnuppert kurz und hopst dann sofort in den Zuschauerraum. Dort baut sie sich vor der Buchhändlerin auf, die sie bei der Ankunft mit einer knistern den Tüte Knabberzeug begrüßt hat, und bleibt für den Rest des Abends bei ihr. Unterbrochen von gelegentlichen Ausflügen zu anderen Knistertütenbesitzern und – da war doch noch was? Ach ja! – kurzen Aufenthalten bei der Torfnase auf der Bühne.
Ratingen
Nachdem uns der Leiter der Stadtbibliothek Ratingen ange kündigt hat, lasse ich Luna wie gewöhnlich ins Publikum bret tern. Eine Frau springt kreidebleich in die Höhe und schreit: »Nehmen Sie den weg. Ich habe panische Angst vor großen Hunden!«
Das hatten wir auf unseren Lesungen auch noch nie.
Die Redakteurin der Rheinischen Post ist von der Szene so beeindruckt, dass sie anderntags titelt Lesung mit Mann und Hund – Frau flüchtet! Meine Lieblingsstelle in dem Artikel ist die, wo sie meine Lesung mit dem Heizdeckenverkauf einer Seniorenkaffeefahrt vergleicht, mit dem Unterschied, dass bei uns die Tür nicht abgeschlossen gewesen sei.
Dabei habe ich nur gesagt, dass es noch ein Hörbuch gibt.
Düsseldorf
Luna und ich lesen in einer gut versteckten Location im alten Industriegebiet von Düsseldorf-Heerdt. Durch die großen Scheiben des Canonicus Loft im vierten Stock können wir auf die Straße blicken und sehen immer dasselbe Schauspiel.
Auto kommt. Auto wird langsam. Auto steht. Auto fährt
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