Herrchenjahre
aus wie ein kopfloses Michelin-Männchen. Er ist innen hohl und wenn man durch das Loch in seinem Boden Leberwurst hineinstopft, gibt die Krawallmaus dreißig Minuten Ruhe. Mindestens.
Warum das Ding Kong heißt, ist mir ein Rätsel. Im Gegensatz zu dem King gleichen Namens ist der Kong nämlich unzerstörbar. Er darf von Wolkenkratzern fallen, von Flugzeugen beschossen und von Hunden gebissen werden. Macht alles nichts. Um ganz sicher zu gehen, erwerben wir den Kong Extreme, einen knüppelharten Naturkautschukklops in Schnauzengröße XXL.
Auch wenn sich das alles sehr robust liest, so ist der Kong hauptsächlich für filigrane Kopfarbeit gedacht. Das riecht nach sehr viel Leberwurst, denkt der Hund, und wenn sehr viel Leberwurst reingesteckt werden kann, denkt der Hund, muss auch sehr viel Leberwurst rauszuholen sein. Das wiederum ist nicht einfach und erfordert den geschickten Einsatz einer biegsamen Zunge, zweier Tatzen, die ordentlich festhalten können, und einer Birne, die sich im Minutentakt eine neue Taktik überlegt.
Wenn der Kong einmal Beute gemacht hat, gibt er sie nämlich nicht so schnell wieder her. Da braucht es Grips. Der Fach-Krause nennt das geistige Auslastung und findet sie wichtig, weil sie müde macht.
Das kann man sich vorstellen wie folgt.
Der Kong ist inwendig mit einem Viertelpfund grober Leberwurst bestrichen. Eine halbe Stunde volle Konzentration. Luna schleckt. Hinten links schnürt unbemerkt ein Eichhorn über die Wiese. Luna schleckt. Irgendwann ist der Kong blitzblank – Tiefschlaf!
Wenn man drei Scheiben Gouda in den Kong stopft und mit dem Daumen festzementiert, sieht die Sache schon anders aus. Dann kommt man mit Schlecken nicht weit. Man kann aber gewaltig darauf herumkauen, um den harten Käse herauszuquetschen.
Eine Dreiviertelstunde volle Konzentration. Luna kaut Kautschuk. Vorne rechts lugt ein Kater durch das Gartentor. Luna kaut Kautschuk. Irgendwann ist der Kong inwendig käselos – Tiefschlaf!
Dritte Variante: ein strammer Leberkeks. Am besten einer, der breiter ist als die Öffnung und nur durch kräftiges Zusammendrücken des Kongs eingeführt werden kann. Der kullert innen lustig herum, lässt sich weder durch exzessives Schlecken noch durch Kautschukkauen kleinmachen und treibt den geduldigen Hund in den Wahnsinn.
Eine Stunde volle Konzentration. Luna kugelt den Kong über die Wiese. Leberkeks fällt nicht raus. Banden von maskierten Einbrechern durchqueren den Garten. Luna katapultiert den Kong durch die Luft. Leberkeks fällt nicht raus. Steinmarder drängen am Hund vorbei ins Haus und zeigen den Einbrechern, wo die Wertsachen liegen. Luna kickt den Kong über die Terrasse. Leberkeks fällt nicht raus. Einbrecher ziehen ab und nehmen alle Autos mit, um die Beute leichter abzutransportieren. Luna kongt und kongt. Leberkeks fällt nicht raus. Irgendwann hat Madame die Faxen dick und den Keks satt – Tiefschlaf!
Das ist der Moment, wo man als Zweibeiner souveräne Überlegenheit demonstrieren sollte: »Guck mal, der Scheff hat Finger, mit denen man Leberkekse aus Kongs fischen kann, und du nicht.«
Toll, denkt der Hund.
Vielleicht denkt er aber auch: Blöder Arsch.
Das weiß man nie so genau.
Auf jeden Fall denkt er.
Luna liebt ihren Kong. Egal ob mit großzügig gestopftem Keks, inwendig eingeschmierter Streichwurst oder tiefgefrorenem Lyoner-Joghurt, sie stürzt sich darauf und ist minutenlang vor lauter Genuss nicht ansprechbar. Wie Denksport sieht das allerdings nicht aus. Wenn ich ihr verzücktes Gesicht mit den hingebungsvoll geschlossenen Augen betrachte, frage ich mich schon, wo genau die intellektuelle Leistung liegt: im Ausschlecken des Kongs oder im Erziehen des Besitzers, dem Hund einen solchen zu füllen?
Hat dieser Hund mich etwa fest im Griff?
Bin in Wahrheit ich der Doofe?
Sie weiß bereits, was ich tun werde, bevor ich es denke. Als wir zusammen die Hör- und Sichtzeichen für das Kommando Laut einstudieren, lernt sie jeden Millimeter meiner Mimik auswendig. Eigentlich will ich ja nur, dass sie bellt, wenn ich Laut sage. Oder dass sie bellt, wenn ich zweimal meine rechte Hand auf- und zuklappe. Beim Üben mache ich offensichtlich ein komisches Gesicht und ziehe jedes Mal, wenn ich Laut sage, meine Augenbrauen hoch.
Das genügt. Ab sofort bellt Luna, sobald ich die Augenbrauen leicht anhebe.
»Das ist kein Zeichen von Intelligenz«, sagt Gumak. »Der Hund beobachtet dich nur gut. Das macht jeder.«
Gumak ist unser
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