Herren des Wetens
Namen darunter setze.
Nicht nur das, ich diktiere alle Schriftstücke, die ich unterzeichne, selbst. Dadurch weiß ich mit Gewißheit, daß sie genau das sagen, was ich ausdrücken will.« Er schob Garion das Schreiben zu. »Sieh dir das an.« Er deutete auf den zweiten Absatz. »Insofern, als der Handel der Lebensnerv unserer beiden Reiche ist… und so weiter. Ver-dammt, Garion! Ich habe in meinem ganzen Leben das Wort inso-fern nicht benutzt!«
»Wie läßt sich dies dann in Einklang bringen?« fragte der Graf von Seline. »Wir haben die Echtheit von Unterschrift und Siegel be-stätigt. König Anheg erklärt, daß er nicht nur alles liest, was er unterzeichnet, sondern daß er höchstpersönlich jedes Schreiben und jede Verkündigung diktiert. Und doch finden wir textliche Unver-einbarkeiten in diesem Schreiben.«
»Seline«, sagte Anheg abfällig, »habt Ihr Euch je mit dem Rechts-wesen befaßt? Ihr hört Euch wie ein Advokat an.«
Der Graf lachte. »Ich versuche nur genau zu formulieren, Eure Majestät.«
»Ich kann Advokaten nicht ausstehen!«
Das belastende Schreiben war Diskussionsthema für den Rest des Tages, doch nichts ergab sich. Garion ging so verwirrt und voll Zweifel zu Bett, wie er am Morgen aufgestanden war.
Er schlief sehr schlecht und erwachte spät. Während er noch im königlichen Himmelbett lag und Ordnung in seine Gedanken zu bringen versuchte, wurden ihm die Stimmen im Nebengemach be-wußt. Fast müßig überlegte er, wessen sie waren. Ce'Nedras, natürlich, Tante Pols, Königin Laylas helles Lachen war so unverkennbar wie der mimbratische Dialekt Nerinas und Arianas. Da waren auch noch andere Stimmen, doch ihre Eigenheiten gingen in dem allgemeinen Geplaudere unter.
Müde setzte Garion sich auf. Er fühlte sich, als hätte er überhaupt nicht geschlafen. Ehe er die Füße aus den Bett schwang, stieß er die Daunendecke zur Seite. Seufzend stand er auf und blickte auf das schwarze Wams und Beinkleid von gestern, dann schüttelte er den Kopf. Weiterhin Trauer zu tragen, mochte unbeabsichtigt als stumme Anklage ausgelegt werden. Das mußte er auf alle Fälle vermeiden. König Anhegs Lage war so kritisch, daß die geringste An-deutung zur Krise führen könnte. Garion trat an den Schrank und nahm eines seiner üblichen blauen Wämser heraus und begann sich anzukleiden.
Die Unterhaltung im Nebengemach verstummte plötzlich, als jemand an die Tür klopfte.
»Bin ich hier willkommen?« fragte Königin Islena verlegen.
»Aber natürlich!« versicherte ihr Tante Pol.
»Ich hatte gedacht…« Islenas Stimme stockte, und sie begann erneut: »Nach allem, was geschehen ist, dachte ich, es sei vielleicht besser, wenn ich nicht käme.«
»Unsinn«, sagte Königin Layla fest. »Kommt herein, Islena.«
Allgemeine Zustimmung erklang.
»Ich schwöre euch, daß mein Gemahl nichts mit dieser Schänd-lichkeit zu tun hat!« erklärte Islena fest.
»Das hat auch niemand behauptet, Islena«, erwiderte Tante Pol ruhig.
»Nicht offen, vielleicht, doch der Argwohn überall ist fast greifbar.«
»Ich bin sicher, daß Garion und die anderen die Sache klären werden«, sagte Ce'Nedra überzeugt.
»Mein armer Anheg hat die ganze Nacht nicht geschlafen«, flü-
sterte Islena bedrückt. »Ich weiß, daß er derb aussieht, aber er ist sehr feinfühlig. Dieser Verdacht schmerzt ihn zutiefst. Er hat sogar einmal geweint.«
»Unsere Gatten werden die Tränen des Euren am Leib des gemeinen Schurken rächen, der für diese Greueltat verantwortlich ist«, tröstete sie die Baronin Nerina. »Und die törichten Menschen, die an seiner Untadeligkeit zweifeln, werden sich ihrer Kleingläubigkeit schämen, sobald die Wahrheit ans Licht gekommen ist.«
»Ich kann nur hoffen, daß Ihr recht habt«, murmelte Islena.
»Das ist ein sehr bedrückendes Thema, meine Damen«, sagte Garions Base Adara nun. »Es hat nichts mit dem eigentlichen Grund unseres Hierseins zu tun.«
»Und welcher Grund ist das, teure Adara?« fragte Ariana.
»Das Baby, Ariana«, antwortete Adara. »Wir möchten dein Baby wieder bewundern, Ce'Nedra. Geran ist sicherlich schon wach, hol ihn doch.«
Ce'Nedra lachte. »Ich dachte schon, ihr würdet mich nie darum bitten.«
Die Ratssitzung begann am Vormittag. Wieder versammelten sich die Könige und ihre Ratgeber in der blauen Ratskammer. Die goldene Spätsommersonne schien durch die Fenster, und eine sanfte Brise wehte vom Meer und spielte mit den Vorhängen. Förmlichkeit war bei diesen
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