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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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Buckel haben musste.
    Aber was den Fickel jetzt wirklich stutzig machte: dass der Schirmherr von »Nachbarn in Meiningen« e. V. ein gewisser Landrat mit dem Namen Kminikowski war! Da stand natürlich gleich der Verdacht im Raum, dass es hier womöglich einen Zusammenhang gab zu den Plänen seiner verstorbenen Frau, der Residenz einen dienstlichen Besuch abzustatten. Damit verknüpfte sich gleich die nächste Frage: Wie hatte es tatsächlich um das Meininger Glamourpaar gestanden? Der Fickel misstraute glücklichen Ehen grundsätzlich, und hier gab es mehr als einen Anhaltspunkt.
    Gesetzt den Fall, der René hatte die Wahrheit erzählt: Was, wenn der Landrat von der Affäre seiner Frau Wind bekommen hatte? »Frau des Landrats treibt es mit jüngerem Mann!« Das war gewiss keine gute Nachricht für das Ego eines Ehemannes, aber noch schlechter machte sie sich für den potenziellen Wahlkämpfer. Erfahrungsgemäß vertrauten die Leute allemal eher einem Schwerenöter als einem Schwächling, der sich von der eigenen Frau Hörner aufsetzen ließ.
    Solche und andere Gedanken gingen dem Fickel durch den Kopf, als er später am Abend face à face mit dem Universum auf seiner Hollywoodschaukel saß, ein Feierabendbier schlürfte und ziellos in den sternenreichen Thüringer Nachthimmel starrte. Und wie er so eine Hypothese nach der anderen aufstellte, verwarf und Kausalverläufe auf ihre Wahrscheinlichkeit hin überprüfte, da fühlte er sich zum ersten Mal in seinem Leben fast wie ein waschechter Rechtsanwalt. Und wenn er ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte er sich zweifellos eingestehen müssen, dass sich das gar nicht so schlecht anfühlte.

VI
    Gleich am nächsten Morgen stieg der Fickel mit neuem Elan in seinen beigebraunen Wartburg 353 Tourist und tuckerte, was die drei Zylinder hergaben, über die brandneue Autobahn in Richtung der ehemaligen Bezirksstadt Suhl. Die A71 ist nicht nur ein gigantisches Bauwerk, in einer Liga etwa mit den ägyptischen Pyramiden oder der Chinesischen Mauer, sowie ein Prestigeprojekt der Deutschen Einheit, sondern auch touristisch gesehen ein Meilenstein, da sie gewissermaßen mitten in das »Grüne Herz Deutschlands« hineingesprengt worden ist oder besser gesagt »hindurch«. Denn das Erwähnenswerte an der A71-Trasse ist, dass sie im Grunde nur aus Brücken und Tunneln besteht. Damit stellt sie nicht nur eine ingenieurtechnische Meisterleistung dar, sondern ist mit zehn Millionen Euro Baukosten pro Kilometer nach wie vor eine der teuersten Straßen Europas. Ein simples Gemüt wie der Fickel fühlte sich daher natürlich irgendwo privilegiert, als er an diesem wunderbaren Sonntagmorgen mutterseelenallein auf dieser Wahnsinnspiste mit achtzig Sachen dahinsauste, ohne von rücksichtslosen Rasern bedrängt zu werden, denn schnell fahren durfte man auf dieser Millionenpiste ohnehin nicht.
    Wenn jemand hinter dem Fickel hergefahren wäre, hätte er sich freilich in einer Nebelbank wiedergefunden, denn ab einer Geschwindigkeit von siebzig Kilometern in der Stunde potenzierte sich die Abgasproduktion des Wartburgs durch verbrennende Ölrückstände und -ablagerungen in exponenzieller Weise. Nachdem der Fickel seinen Motor endlich mal wieder so richtig »freigeblasen hatte«, setzte er bei der nächsten Ausfahrt den Blinker und kurvte auf einer merkwürdigerweise viel belebteren herkömmlichen Landstraße durch den Thüringer Mischwald.
    Irgendwann tauchte auf der linken Seite ein unscheinbarer, von Wind und Wetter vergilbter Wegweiser auf, und nur wenige Kilometer und viele Schlaglöcher später gelangte der Fickel zu einer Einfahrt, an der ihn ein Schild »Herzlich willkommen« hieß. Auf den ersten Blick strahlte die Thüringer-Wald-Residenz tatsächlich den robusten Charme einer sozialistischen Gewerkschaftsunterkunft aus. Die Fenster waren orange getönt, und die grau verwaschene Fassade grüßte im altbewähren Spritzbeton-Look. Dabei hätte der Fickel schwören können, dass die Hausfront im Internet blendend weiß ausgesehen hatte. Immerhin deutete die Anwesenheit eines Gerüstes am Südflügel auf den guten Vorsatz hin, die Wirklichkeit der virtuellen Realität anzugleichen.
    Vor dem Haus hockten Senioren auf einer Bank und ließen sich von den sanften Strahlen der Frühlingssonne verwöhnen. Die Frauen vertrieben sich die Zeit damit, über die Männer zu lästern, und die Männer machten sich so ihre Gedanken. Der Fickel grüßte nach links und nach rechts und ging kurz

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