Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
freundlich von Ihnen.« Kaum gesagt, raffte sie ihre Sachen zusammen und eilte hinüber in die Damenabteilung. Dort zog sie sich hastig an. Sie hätte drei Tage ihres Jahresurlaubs dafür gegeben, wenn sie nur draußen dem Landrat nicht mehr begegnete, und verzichtete aus dem Grund sogar auf das Haareföhnen. Doch nicht nur im Schwimmen, auch im Umkleiden war der Landrat ihr ebenbürtig. Als die Oberstaatsanwältin mit wirrer Frisur und in ihrem schwarzen Traueroutfit aus der Halle trat, stand dort schon der Landrat im schwarzen Freizeitdress und rauchte genüsslich eine Zigarette.
»Sie schwimmen gar nicht schlecht!«, bemerkte er lächelnd.
»Sie aber auch nicht. Für einen Raucher.«
Der Landrat lächelte entspannt. » KJS [ 27 ] in Erfurt. Sieben Jahre, dann ausgemustert. Und Sie?«
Die Oberstaatsanwältin winkte bescheiden ab. »Ich trainiere nur ab und zu für mich.«
»Das sieht man«, meinte der Landrat und blickte wohlgefällig auf ihre Schultern, ihr Dekolleté … Wieder hatte die Gundelwein das Gefühl, der Witwer flirte mit ihr. Dabei hatte er sie bei der Beerdigung wie Luft behandelt. Sie wurde einfach nicht schlau aus dem Mann! Und wie immer, wenn sie unsicher war, fühlte sie sich zu groß.
»Müssten Sie nicht auf dem Landsberg sein?«, fragte sie spitz.
Der Landrat winkte ab. »Da vermisst mich niemand. Sylvias Familie hasst mich«, sagte er mit erschreckender Offenheit. »Sie wollten nicht mal, dass sie hier in Meiningen beerdigt wird.«
»Warum hassen die Sie denn?«
»Das müssen Sie schon Sylvias Familie fragen«, antwortete der Landrat. »Vielleicht hatten sie sich für ihre Tochter was Besseres vorgestellt.«
Der Landrat hatte den letzten Satz mit provozierendem Gleichmut ausgesprochen. Etwas Besseres als ihn schien es in seinem Koordinatensystem nicht zu geben.
»Gut möglich«, erklärte die Oberstaatsanwältin ebenso gleichmütig. »Ihre Frau entstammt ja einem Anwaltshaushalt, wenn ich recht informiert bin. Da wünscht man sich natürlich einen Nachfolger für die Kanzlei.« Aus den Augenwinkeln konnte sie beobachten, dass sie einen Treffer gelandet hatte. Mitten in das Stigma des Gescheiterten. Etwas weniger gut gelaunt warf der Landrat die Zigarette auf den Boden und wechselte abrupt das Thema.
»Sie haben das Schwein also überführt«, stellte er nüchtern fest. Er blickte sie prüfend an. Die Oberstaatsanwältin war froh, dass das Gespräch dienstlich wurde, denn in dem Bereich fühlte sie sich sicher.
»Nach menschlichem Ermessen ist René Schmidtkonz der Täter. Er hat sich an Ihrer Frau vergangen und sie danach offenbar aus Scham oder Angst umgebracht.«
»Komisch«, erklärte der Landrat kopfschüttelnd. »So eine halbe Portion wie der …«
»Sie kennen den Beschuldigten?«, fragte die Gundelwein interessiert.
»Ich hab ihn einmal bei meiner Frau gesehen. Total durchschnittlicher Typ.«
»Das sind oft die Schlimmsten«, erklärte die Oberstaatsanwältin. »Gerade die Unscheinbarsten leiden häufig unter versteckten Allmachtsfantasien.«
»Soso«, meinte der Landrat. »Und was passiert jetzt mit ihm?«
»Ich werde selbstverständlich lebenslänglich beantragen. Mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Dann schmort er für immer.«
Der Landrat ließ die Luft durch die Zähne pfeifen. »Wie ich Sie kenne, werden Sie Ihren Willen auch bekommen!«
»Wenn sich der Beschuldigte keinen anderen Anwalt besorgt, bin ich da sehr zuversichtlich.« Sie lächelte souverän. Aber der Landrat war gedanklich bereits einen Schritt weiter.
»Es wäre für mich eine große Erleichterung, wenn der Prozess möglichst bald stattfände, am besten noch vor dem Winter. Meinen Sie, das kriegen Sie hin?«, fragte er in leutseligem Ton.
Die Oberstaatsanwältin war baff, wie durchschaubar der Landrat den Tod seiner Frau für seine politischen Ambitionen auszunutzen gedachte.
»Sie meinen wegen der Wahlen im Dezember«, stellte sie fest. »Wollen Sie sich als Law-and-Order-Politiker profilieren?«
»Jetzt beleidigen Sie mich aber!«, erklärte der Kminikowski, wobei er allerdings keineswegs beleidigt aussah. Nun zeigte der Landrat also sein eigentliches Gesicht. Die Trauer vorhin auf dem Friedhof hatte durchaus überzeugend gewirkt, aber im Herzen war er kalt wie eine Hundeschnauze. Der Mann war ein Schauspieler, und dass er darüber hinaus ein attraktiver Schauspieler war, machte ihn gefährlich. Die Gundelwein dachte an die durchtrainierte Brustmuskulatur, die breiten,
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