Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
da wunderte sie sich vielleicht noch, dass sich der Landrat lieber mit den jungen Dingern abgab! Aber die Olschewski ahnte glücklicherweise nichts von den chauvinistischen Gedanken hinter Fickels Stirn, und da sie offenbar sehr gut über den Flurfunk informiert war, wollte er diese Quelle natürlich noch ein bisschen sprudeln lassen.
»Hat der Landrat eigentlich Kinder?«, fragte er unvermittelt, gewissermaßen überfallartig.
»Wie kommen sie denn darauf ?« Die Olschewski war mit einem Mal wieder fast so distanziert wie zu Beginn.
»Ich dachte nur …«, eierte der Fickel herum, »wenn es einer so wild treibt, da kommt es ja, salopp gesagt, zuweilen auch zu Unfällen …«
Die Olschewski winkte mit einem leicht spöttischen Lächeln ab. »Der ist doch unfruchtbar wie ein Kapaun«, erklärte sie genüsslich. Offenbar fand sie den Gedanken, dass ausgerechnet der Landrat sich nicht fortpflanzen konnte, amüsant. Aber der Fickel wollte jetzt natürlich wissen, wie sie da so sicher sein konnte. Da wäre der Kminikowski schließlich der Erste gewesen, der mit so was angab!
Die Olschewski dachte angestrengt nach. Vor ein paar Jahren, fast einer halben Ewigkeit, da habe es tatsächlich mal eine Vaterschaftsklage gegen ihn gegeben, erinnerte sie sich. Sie beugte sich etwas vor und sprach sehr leise. Damals war die Technologie der DNA -Tests noch nicht ausgereift gewesen, und deshalb habe sich der Landrat ganz einfach aus der Affäre ziehen können, indem er ein ärztliches Attest vorlegte. Angeblich hatte er sich bereits mit Anfang zwanzig sterilisieren lassen.
Jetzt fing es in Fickels Oberstübchen natürlich wieder zu rattern an: Wieso lässt sich einer in so jungen Jahren die Samenleiter kappen, und wieso tauchte dann jetzt überall die DNA seines Kindes auf – und warum, zur Hölle, hatte seine Frau empfängnisfördernde Medikamente eingenommen, wenn ihr Mann nur mit »Platzpatronen« schoss?
»Es ist jedenfalls besser so«, resümierte die Olschewski. »Der Landrat wäre bestimmt kein guter Vater geworden.«
Wo auch immer sie die Gewissheit hernahm, darüber machte sich der Fickel jetzt keine Gedanken mehr. Freundlicherweise erbot sich die Beamtin in einem letzten Aufbäumen ihrer Hilfsbereitschaft noch, mal kurz bei »Nachbarn in Meiningen« durchzuklingeln. Und wer hätte das gedacht: Der Vereinsvorsitzende Exner zickte gar nicht erst lange rum und bot dem Fickel kurzfristig einen Termin an – am besten gleich sofort! Der Fickel ergriff die Gelegenheit beim Schopfe, verabschiedete sich von Frau Olschewski und bedankte sich aufrichtig für ihre »unbürokratische« Hilfe. Im Nachhinein kamen die Bitter-Nuss-Pralinen gar nicht mal so schlecht an, Bestechung hin oder her!
Falls jetzt einige wegen der Pralinenmasche den Stab über den Fickel brechen wollen, dann sollten sie bei aller berechtigten Kritik nicht vergessen, dass es dem Fickel bei seinem Tun letztlich nur um den guten Zweck ging, nämlich erstens: seiner Exfrau eins auszuwischen, und zweitens, einen Unschuldigen aus dem Gefängnis zu befreien. Vom Standpunkt eines höheren, gewissermaßen göttlichen Rechts aus betrachtet, hatte er sich also wegen seiner kleinen Heuchelei in Jerusalem nicht das Geringste vorzuwerfen.
Während der Fickel um einige Informationen und viele offene Fragen reicher auf schnellstem Weg zurück ins Stadtzentrum düste, wo er sich in dem kleinen Café am Markt mit dem Vorsitzenden des Vereins »Nachbarn in Meiningen« e. V. treffen sollte, saß die Oberstaatsanwältin Gundelwein gemütlich im Gasthof Stöhr auf dem mit 916,5 Metern Gipfelhöhe für Thüringer Verhältnisse geradezu gigantischen Großen Inselsberg, der seit jeher die nördliche Grenze des Meininger Einflussbereichs bildet. In Erwartung des Oberarztes Dr. Welsch, der sich offenbar ein wenig verspätete, schlürfte sie eine Tasse Rotbuschtee und ließ ihre Blicke über die Weiten des Thüringer Waldes schweifen.
Doch wer jetzt meint, die Oberstaatsanwältin wäre in Anbetracht des erhabenen Panoramas oder eines bevorstehenden Rendezvous mit einem Kandidaten, der mit ihrem Suchprofil hundertzwanzig »Matchingpunkte« aufwies, von romantischen Gefühlen beherrscht gewesen, der hat sich geschnitten. Vielmehr kreisten ihre Gedanken wie die in der Glasvitrine appetitlich ausgestellten Torten um sich selbst, weiter um Sittenstrolche, Haustyrannen und gewöhnliche Gewalttäter aus ihren Strafakten. Denn egal welchen Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch man sich
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