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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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vorknöpfte, stets hatte man es vorwiegend mit männlichen Tätern zu tun. [ 36 ]
    Und obwohl die Gundelwein folglich mit zwingender Logik davon ausging, dass das weibliche das bessere Geschlecht war, fühlte sie sich leider in keiner Weise von anderen Frauen angezogen, eher im Gegenteil. Trotz ihrer Vorbehalte gegen Männer im Allgemeinen sehnte sie sich manchmal nach einem sensiblen und kultivierten Partner. Im Prinzip suchte sie also nicht mehr und nicht weniger als das genaue Gegenteil ihres Exmannes.
    »Sind Sie mein Stolperstein?«, erklang hinter ihr eine sonore, aber angenehm unviril klingende Stimme. Sie wandte den Kopf – und guck mal einer an! Vor ihr stand ein circa fünfzigjähriger, blendend aussehender Typ, der zwar deutlich hinter den einsneunzig zurückblieb, die er im Internet angegeben hatte, aber er war immerhin eine stattliche Erscheinung. Die Oberstaatsanwältin blieb trotzdem rücksichtsvoll sitzen, um die kleine Schummelei nicht gleich auffliegen zu lassen. Doktor Welsch deutete eine leichte Verbeugung an.
    »Doktor Claus Welsch«, stellt er sich vor und setzte sich auf den Platz gegenüber. »Claus mit C«, fügte er überflüssigerweise hinzu.
    »Carmen, auch mit C«, erklärte die Gundelwein und scherzte: »Ich hoffe, meinetwegen bleiben jetzt in der Klinik keine Blinddärme liegen?«
    Der Oberarzt lächelte souverän. »Mit Gedärmen habe ich nichts am Hut, ich bin Orthopäde.«
    Die Oberstaatsanwältin nahm den Mann diskret etwas genauer unter die Lupe. Er hatte eine schmale, sportliche Figur und wirkte dadurch größer, als er tatsächlich war. Wahrscheinlich hätte man unter zehn Frauen nicht eine einzige gefunden, die ihm auf einer Attraktivitätsskala von eins bis zehn nicht mindestens acht Punkte gegeben hätte. In der Welt des Internetdatings war das ein glatter Volltreffer!
    Die Oberstaatsanwältin hörte geduldig zu, wie ihr Gegenüber über Bandscheiben, Schultern und Kniegelenke dozierte. Natürlich: Wer so gut aussah, konnte nur ein Langweiler sein. Doch Dr. Welsch brachte seine Ausführungen zu einem schnellen Ende, als hätte er die Gedanken der Oberstaatsanwältin erraten.
    »Und womit vertreiben Sie sich so die Zeit?«, fragte er interessiert, ohne allzu aufdringlich zu wirken.
    »Im Moment mit Rückenschmerzen«, erklärte die Gundelwein ausweichend. »Ich hocke den ganzen Tag am Schreibtisch und schreibe …«
    »Sind Sie etwa Schriftstellerin?«, unterbrach sie Dr. Welsch mit offenkundiger Begeisterung. Die Oberstaatsanwältin fand, es sei noch zu früh, ihn zu enttäuschen. Irgendwo beginnt schließlich jede menschliche Beziehung mit einer Lüge – und endet mit einem bösen Erwachen. »Gewissermaßen«, antwortete sie deshalb ausweichend. »Vor allem Krimis.«
    »Ich liebe Kriminalgeschichten«, erklärte der Oberarzt und bestellte ein Kännchen Kaffee. Dabei flirtete er, ohne dass es ihm vielleicht bewusst war, mit der Kellnerin. Die Oberstaatsanwältin wartete ungeduldig, bis das junge Ding mit dem kurzen Rock endlich weg war.
    »Warum suchen Sie eigentlich eine Partnerin übers Internet?«, fragte sie dann in einem für sie nicht unbedingt typischen Anflug von Koketterie. »Ein attraktiver Mann wie Sie, dazu in Ihrer Position, da können Sie sich doch vor Angeboten sicher kaum retten.«
    Der Oberarzt verzog leicht das Gesicht, als hätte sie ihn beleidigt. »Das mit den Ärzten und den Krankenschwestern ist doch nur ein billiges Klischee«, erklärte er.
    »An manchen Klischees ist ja auch was dran«, konterte die Gundelwein. »Als Schriftstellerin weiß ich, wovon ich spreche.« Doch ihr neuer Bekannter winkte müde lächelnd ab. »Mag sein. Aber ich suche nach einer Partnerin auf Augenhöhe, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Die Oberstaatsanwältin war ehrlich verblüfft, mit welch traumwandlerischer Sicherheit der andere die »richtigen« Sätze sagte. Seine Hand kam wie zufällig so auf dem Tisch zu liegen, dass seine Fingerspitzen ihre berührten. Die Gundelwein zog ihre Hand etwas zurück.
    »Waren Sie eigentlich mal verheiratet?«, fragte sie.
    Der Oberarzt stöhnte mit entwaffnender Offenheit. »Der größte Fehler meines Lebens.«
    Die Oberstaatsanwältin lächelte amüsiert. »Das ist wahrscheinlich der häufigste Satz von Geschiedenen.«
    Dr. Welsch nahm das Lächeln zum Anlass, seine Hand wieder ein Stückchen weiter nach vorn zu schieben. Diesmal ließ die Gundelwein ihn gewähren und hörte sich seine Ehegeschichten an, bei der seine Exfrau

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