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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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Postzustellung regelmäßig Hundebellen zu vernehmen war.
    Eigentlich gab es in dem Fall für den Fickel nichts zu gewinnen. Allerdings machte der Postbote nicht gerade einen sympathischen Eindruck. Der Fickel mochte zwar seinerseits die kleinen, giftigen Kläffer auch nicht besonders, insbesondere die Spuren, die sie überall auf den Straßen hinterließen, aber hysterische Hundehasser gingen ihm irgendwo auch gegen den Strich. Außerdem hatte er ein großes Herz für ältere Damen, selbst wenn er die Reichenbach nicht persönlich kannte. Vielleicht hängte er sich deshalb in die Angelegenheit ein bisschen mehr rein, als es seiner Gewohnheit und seinen berufsmäßigen Pflichten entsprach.
    »Bellen allein ist ja noch lange kein Beweis dafür, dass die Beklagte tatsächlich selbst einen Hund besitzt«, erklärte der Fickel, kaum dass die Ausführungen des Postboten über die Erschwernisse seines Berufs verklungen waren. Die Driesel fühlte sich durch Fickels Einwand unerklärlicherweise erheitert und fragte mit listiger Miene nach: »Wie würden Sie sich denn dann das Bell-Geräusch erklären, das unstreitig aus der Wohnung der Beklagten stammt, geschätzter Kollege Fickel?«
    Der »geschätzte Kollege« hatte natürlich nicht die geringste Ahnung, was er jetzt sagen sollte, aber in Bedrängnis kommen dem Fickel manchmal unverhofft Ideen.
    »Meine Mandantin unterhält eine Hundetagesstätte. Ehrenamtlich natürlich, um den sozialen Anschluss nicht zu verlieren«, erklärte er aufs Geratewohl. »Dazu können diverse Zeugen benannt werden.«
    Der Referendar hielt es in diesem Moment für angezeigt, sich einzumischen und den Fickel direkt anzugreifen: »Warum steht davon nichts in der Akte? Der Vortrag dürfte wohl gemäß Paragraf zwohundertsechsundneunzig Zett-Peh-Oh verspätet sein!«
    Die Driesel blickte irritiert zu ihrem Azubi rüber. »Soweit ich mich erinnern kann, hab’ ich Ihnen noch nicht die Sitzungsleitung übertragen.«
    Der Referendar lief so rot an, dass man fast seine Pickel nicht mehr sah, und die Driesel wandte sich entspannt schmunzelnd wieder an den Fickel. Sie schien die Situation sichtlich zu genießen.
    »Nun, was haben Sie zu der schlauen Einlassung unseres wackeren Nachwuchsjuristen vorzubringen, Herr Fickel?«
    Jetzt war guter Rat teuer, zumal die Driesel ja wusste, dass der Fickel mit dem vorangegangenen Schriftwechsel nichts zu tun, geschweige denn ihn überhaupt gelesen hatte.
    Andererseits: Wenn der Gaul durchgegangen ist, hilft nur eins: im Sattel bleiben! Diese Mahnung hatte Fickels Mutter ihm als kleinem Jungen mit auf den Weg gegeben, und bis jetzt war er damit nicht schlecht gefahren. Daher entschied sich der Fickel, die Komödie einfach zu Ende zu spielen, auch auf die Gefahr hin, sich mal wieder bis auf die Knochen zu blamieren.
    »Das Gedächtnis meiner Mandantin ist nicht mehr das Beste. Die Erinnerungen kommen ihr erst nach und nach«, sagte er mit unschuldiger Anwaltsmiene. Der Referendar lachte ungläubig auf und blickte kopfschüttelnd zu seiner Ausbilderin. Doch die ließ sich auf einmal Zeit. Man konnte der Amtsgerichtsdirektorin förmlich ansehen, wie sie ganz tief in sich ging. Denn wenn der Köter, der den Postboten mit seinem Frühstück verwechselt hatte, gar nicht der Reichenbach gehörte, dann musste sie vielleicht auch nicht zahlen. So einfach war das!
    Nur der Postbote fühlte sich seiner Sache immer noch sehr sicher. Möglicherweise zu sicher. »Ist doch egal, wie alt sie ist. Wenn die kleine Ratte mich gebissen hat … Da muss die doch aufpassen!«, lamentierte er.
    »Haben Sie denn vorher geklingelt, als Sie das Grundstück von Frau Reichenbach betreten haben?«, hakte die Driesel nach. Der Postbote schüttelte beleidigt den Kopf. »Die Klingel ist doch seit Jahren kaputt.«
    Der Fickel hatte sich da schon zurückgelehnt und hörte nur noch mit einem Ohr zu, wie die Driesel dem staunenden Postboten den Unterschied zwischen der verschuldensabhängigen Deliktshaftung nach Paragraf 823 BGB und der strengeren Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß Paragraf 833 Satz 1 BGB erklärte. Nicht dass der Fickel die besagten Normen gekannt hätte, aber er hatte in seiner Praxis immerhin ein Gespür entwickelt, und das sagte ihm: Wenn der Richter oder die Richterin die andere Seite belehrt, dann läuft es in die richtige Richtung!
    Und guck mal einer an: Der Postbote war nach der Rechtsbelehrung durch die Driesel denn auch reichlich bedient. Aus seiner Sicht auch

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