Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)
beiden mit Küsschen zu begrüßen, allerdings war sie nicht ganz so aufreizend gekleidet, sondern nur körperbetont.
»Macht die Ilona etwa auch Sexualbegleitung?«, erkundigte sich der Fickel verwundert.
Die beiden wehrten heftig ab.
»Die macht nur die Abrechnung«, erklärte Elvis. »Hundertfünfzig Euro die Stunde.«
»Ilona ist doch die Olle vom Chef!«, fügte Cash hinzu. »Da verbrennen wir uns nicht die Finger dran.«
Der Fickel staunte nicht schlecht: Offenbar war man in der Residenz bestens übereinander informiert, nur ausgerechnet über den Aufenthaltsort der Leiterin herrschte Unwissenheit. Aber wenn der Exner mit der Ilona privat »Sexualbegleitung« machte, dann war das aus ihrer Sicht ja irgendwo nachzuvollziehen.
Die »Schwestern« stiegen in den Jaguar, Ilona nahm wieder auf dem Beifahrersitz Platz, und der Exner startete den Motor. Fickel überlegte nicht lange. Er verabschiedete sich eilig von den beiden »Jungs« und nahm die Verfolgung auf.
Da fragen sich natürlich einige zu Recht: Wie soll das gehen – mit einem Wartburg 353 Tourist einen Jaguar verfolgen? Aber die kennen eben die thüringische Ingenieurskunst nicht. Der Wartburg war seinerzeit nämlich eigens für die besonderen Anforderungen in welligem Gelände konzipiert und später keine dreißig Kilometer nördlich von Meiningen in den »Eisenacher Motorenwerken« in sozialistischer Qualitätsarbeit hergestellt worden. Heutzutage läuft da nur noch Opel vom Band, und wie man den Kapitalismus kennt, wahrscheinlich bald gar nichts mehr.
Aber der Wartburg, das war noch ein Auto! Made in GDR in bestem Sinne. Mal abgesehen von PS und Geschwindigkeit im Prinzip der perfekte Geheimdienstwagen. Schließlich brachte er seine Tarnung gleich mit, und zwar gewissermaßen als Grundausstattung. Denn außer einer graublauen Nebelbank hätte der Exner nicht viel erkennen können, wenn er in den Rückspiegel geblickt hätte. Auf der Landstraße beschleunigte der Jaguar natürlich ein bisschen flotter, sodass der Fickel das Gaspedal schon durchs Bodenblech treten musste, um den Sichtkontakt zu halten. Aber in den Kurven kam er dank seiner überlegenen Fahrtechnik und der I -a-Straßenlage seines Autos immer wieder auf Tuchfühlung.
Wenige Kilometer weiter erreichte der Fickel nach einigen halsbrecherischen Serpentinen wohlbehalten den weltberühmten Wintersport-Kurort Oberhof, in dem, wie man andernorts glaubt, die Babys mit Skiern oder Kufen an den Füßen das Licht der Welt erblicken. Natürlich wurden da beim Fickel gleich wieder Erinnerungen wach: er selbst als junger Modellathlet in einem engen Kunststoffanzug, eine futuristische Presswurst mit Helm, der Schwarm aller Frauen, insbesondere der Rodlerinnennachwuchsnationalmannschaft.
Langsam dämmerte ihm jetzt, wohin die Reise gehen sollte. Denn an den Laternenpfählen hingen bereits überall Werbetafeln für das »Pro Senior Hotel Rennsteigblick«, und da hatte der Fickel natürlich noch die Worte von der Frau Olschewski vom Landratsamt im Ohr, dass ihr Chef seine Zeit lieber bei einem » SM -Treffen« im Wellnesshotel verbringe, anstatt angesichts der Trauer um seine Frau dem Wahnsinn anheimzufallen, seine Tage in einem abgedunkelten Zimmer zu fristen und Sinéad O’Connor zu hören, nur so als Beispiel.
Nicht, dass der Fickel direkt ein Faible für heißes Kerzenwachs, Latexhöschen oder Handschellen gehabt hätte, eher im Gegenteil, aber irgendwo stach ihn jetzt der Hafer, dieses sadomasochistische Geheimtreffen mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, wenn man dafür sogar extra Personal aus dem Seniorenheim rekrutierte.
Obwohl sich der Fickel grundsätzlich gut in Oberhof auskannte, insbesondere um den Wintersportstützpunkt und die angeschlossenen Ausflugslokale herum, verlor er den Jaguar in dem Wirrwarr der Wanderer und der nach Parkplätzen suchenden Urlauber bald aus den Augen und musste sich am Ende sogar bei den Einheimischen durchfragen, denn Wellnesshotels hatte es schließlich zu seiner aktiven Zeit noch nicht gegeben. Überhaupt fand er sich in dem Kurort kaum noch zurecht. Wichtige Orientierungspunkte fehlten: Das ehemalige FDGB -Hotel »Rennsteig« war dem Erdboden gleichgemacht, ebenso wie das »Fritz Weineck«. Zumindest das »Panorama« stand noch – in dem Fall musste man im Prinzip sagen: leider.
Aber das neue »Pro Senior Wellnesshotel Rennsteigblick« war natürlich viel exklusiver als all die Bettenburgen aus sozialistischen Massentourismuszeiten
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