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Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition)

Titel: Herrentag: Anwalt Fickels erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Henner Hess
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später schwer beladen mit einem Tablett voller Gläser dort hineinging, sah jedoch nicht gerade wie eine Domina aus, sondern eher wie eine normale junge Gastronomieangestellte, also eher masochistisch.
    Der Fickel sah sich um. Wie lange war es her, dass er sich zum letzten Mal in solch einem gediegenen Ambiente bewegt hatte? Wobei: Von »Bewegung« konnte eigentlich keine Rede sein. Der Einzige, der in dem Raum so etwas wie Aktivität versprühte, war der Pianist, der gelangweilt auf den Tasten rumklimperte. Der Fickel hatte ja persönlich eigentlich nichts gegen Richard Clayderman, aber im Grunde natürlich: Ohrenkrebs.
    Nebenan in dem geschlossenen Raum hingegen ging es offensichtlich etwas forscher zu. Durch die dünne Wand hörte man die Bässe dröhnen. Alle paar Minuten verschwanden schwitzende Kellner mit Cocktailgläsern oder Champagnerkübeln in der Tür. Leider saß der Fickel so, dass er nicht hineinschauen konnte. Um den Blickwinkel zu optimieren, setzte er sich auf den Stuhl gegenüber und wandte so den anderen Gästen im Saal den Rücken zu. Aber da war ihm wiederum eine Säule im Weg, also setzte er sich an den Nachbartisch. Nach diesem mehrmaligen Platzwechsel kann man sagen, dass der Fickel unter den anwesenden Restaurantgästen prominent war.
    Außer dem Fickel war in dem Restaurant noch ein circa neunzigjähriges Pärchen anwesend, das offenbar über dem Essen eingeschlafen war, daneben ein paar einzelne Best- und Silver Ager, die Salat wiederkäuten und einander ansonsten misstrauisch ignorierten. Aber alle gafften jetzt zum Fickel und fragten sich: Was treibt der Bursche da? Stuhltanz [ 41 ] mit sich selbst?
    Immerhin kam irgendwann tatsächlich ein Kellner-Azubi vorbei, um die Bestellung aufzunehmen. Dummerweise war auf der Karte das meiste in Französisch geschrieben, weshalb der Fickel mehrfach nachfragen musste, aber komisch: Der Kellner konnte offenbar auch kein Französisch. Das ist nämlich der Nachteil in einem Binnenbundesland wie Thüringen, da kann man sich in der Schule nur schwer für eine Fremdsprache entscheiden. Die meisten entscheiden sich dann eben für Deutsch.
    Wie sich das in einem Wellnesshotel gehört, waren alle Zutaten »bio«, was natürlich irgendwo auf der Sollseite ordentlich zu Buche schlug, im Klartext: unbezahlbar! Aber der Fickel wollte sich nicht lumpen lassen, wo er einmal im Wellnesshotel abgestiegen war, und entschied sich für eine »Elsässer Schlachteplatte à la Wheaty«, weil das irgendwie exotisch und nach einem großen, gut gefüllten Teller klang.
    Statt der »Schlachteplatte« war es allerdings eher ein Plättchen, das der Azubi kurze Zeit später mit einem beherzten »Bon appétit« servierte, was sich eher anhörte wie »Bong Appetiet«. Nicht dass der Teller etwa klein gewesen wäre – der hatte beinahe die Größe des historischen Kutschenrades, das neben der Tür zu den Toiletten an der Wand hing. Nur: Der weitaus größte Teil der Fläche war mit Dekoschnickschnack verschwendet, einer Senfrosette etwa, ein paar neckischen Salatblättern oder auch ein paar Tröpfchen Meerrettichsoße. Doch damit nicht genug. Die kleinen Dinger, die wie Leber- und Blutwürstchen aussahen, bestanden, wie sich beim ersten Bissen herausstellte, gar nicht aus Tier, sondern aus einer gummiartigen Weizenmasse. – Guck mal einer an! Der Fickel hatte noch nie gehört, dass man Weizen neuerdings schlachtete! Und das, was wie Speckröllchen aussah, bestand offenbar aus Tofu – mit anderen Worten: Ökofraß.
    Der Fickel quetschte beherzt die Bio-Weizenwürstchen in die Kartoffeln und stellte sich vor, er sitze bei der Schmidtkonz am Tisch und nicht in einem Nobelrestaurant bei einem Menü für fünfunddreißig Euro. Aber vermutlich empfahl es sich ebenso wenig, in einem Wellnesshotel Elsässer Schlachteplatte zu bestellen wie in einer Thüringer Waldschenke Austern zu verlangen.
    Zum Nachtisch bestellte der Fickel auf Anraten des Azubi-Kellners eine Crème brulée, die er ihm als »so eine Art angebrannter Pudding« angepriesen hatte. Leider schmeckte die »Crème« penetrant nach ranziger Sojasahne, obwohl die Zuckerkruste fast einen halben Zentimeter dick war. Als auch das überstanden war, kippte der Fickel noch einen Bio-Sliwowitz obendrauf, und wer hätte das gedacht? Der hat mal richtig gut geschmeckt!
    Natürlich verlor der Fickel zwischendurch nie sein Ziel aus den Augen, einen Blick in den abgesperrten Nachbarraum zu erhaschen. Doch es war wie verhext: Jedes

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