Herrgottschrofen
sie sich für schlauer als die anderen hielten. Die bloße Brutalität sei mittlerweile nicht mehr das Mittel, um zu Geld zu kommen. Da musste man schon etwas von Computern und solchen Dingen verstehen, meinte Markus.
Natürlich saßen hier auch Leute ein, die keine klassische Ganovenlaufbahn eingeschlagen hatten. Beziehungstäter, die ihre Frauen nicht mehr ertragen konnten. Vergewaltiger. Die im Knast übrigens wahrlich kein schönes Leben hätten. Die würden meistens zu Spielbällen der Profis.
Markus ermahnte Hartinger, auf geheime Sprachen und Verschlüsselungen zu achten. Je schneller er zum Beispiel die Bedeutung der wichtigsten Tattoos kenne, desto besser für ihn.
»So wie ›Come in and die!‹«, erinnerte sich Hartinger an dieser Stelle.
»Das ist ein sehr deutliches. Aber es gibt viel subtilere. Schau dort drüben, der Jocki. Lebenslänglich. Netter Kerl, eigentlich. Leider ein ›Neffe Gottes‹.«
»Und was bedeutet das?«
»Die kennst du nicht, gell? Das ist ein Geheimbund oder so. Die gibt’s auch draußen, so eine Art Sekte. Hier drinnen fallen die halt auf, weil sie dieses Tattoo haben. Wir haben hier vier oder fünf von denen.«
»Und wieso bekommen solche lebenslänglich?«
»Weil sie sich als verlängerten Arm ihres alttestamentarischen Rachegottes sehen. Und zwar auch bei Moralvergehen. Die klemmen sich auch hier drinnen an die Vergewaltiger und stechen sie ab, wenn sie können. Ist denen ja wurscht, sie sitzen ja eh lebenslang.«
»Und belohnt werden sie vom Himmel?«
»Schlauer Bub, unser Gonzo. So wie die Gotteskrieger bei den Mullahs. Sie sehen sich als Verwandte von Jesus. Als Abkömmlinge von Petrus. Also dem Bruder Jesu, wenn du willst. Darum Neffen Gottes. Sie rächen die sieben Todsünden oder so.«
»Wie in dem Film ›Seven‹ mit Brad Pitt? Hochmut, Geiz, Habgier und so weiter?«
»Geiz und Habgier sind ein und dieselbe Sünde. Wollust, Zorn, Neid, Völlerei, Faulheit und Hochmut. Ich denk, das sind alle. Die passen auch hier drinnen auf, dass niemand beim Sündigen über die Stränge schlägt. Drum sind sie bei der Leitung gar nicht so ungern gesehen. Meinen, sie haben die Wahrheit mit Löffeln gefressen.«
»Gehören vielleicht eher in eine klinische Abteilung.«
Markus überlegte. »Vielleicht hast du recht.«
»Was hast eigentlich du angestellt?« wollte Hartinger wissen. »Du scheinst mir nicht gerade in der Neunten kurz vor dem Quali im Hasenbergl von der Schule geflogen zu sein.«
»Aber in der Zehnten vor der Mittleren Reife von der Realschule in Neuperlach. Okay, ich schau nicht so aus, aber ich hab mich schon von klein auf für Malerei und Bildhauerei interessiert. Das wollte ich machen. Künstler werden. Hab ganze Wagenladungen von Kunstbüchern geklaut und auswendig gelernt. Selber war ich nie gut genug oder wurde halt nie genug gefördert. Mein Vater hat gesoffen und meine Mutter geprügelt. Und andersrum. Volles Klischeeprogramm. Ich bin dann kein Künstler geworden, sondern Kleinkrimineller. Und dann hab ich mich auf Kunstbeschaffung spezialisiert. Kirchenraub, Galerien, Museen, Privatsammlungen. War ein super Geschäft. Das meiste ist ja schlecht gesichert. Nur hat auch alles mal sein Ende. Raub wird leider streng bestraft. Besonders, wenn sie dich mit einer Waffe im Hosenbund erwischen. Und mit dem Schlüssel zu einer Lagerhalle mit alten Meistern und jungen Wilden. Und einem Kreis von festen Abnehmern, die das Zeug nach Russland oder Asien verschiffen. Da heißt’s dann gleich: organisierte Kriminalität. Achteinhalb Jahre hab ich bekommen. Drei davon hab ich noch vor mir.«
»Und die Gottesneffen machen dir keinen Ärger? Ist doch eindeutig Habgier.«
»Mich lassen alle in Ruhe. Ich bin der Tätowierer und der Fitnesstrainer. Ich mach die Männer hier drinnen schöner, verstehst du? Und die Neffen Gottes, die haben sich in den letzten Jahren eh auf Wollust spezialisiert, hört man. Übrigens weiß man bei denen nicht genau, warum die ihr Zeichen tragen. Sie selbst sagen wegen Petrus. Für die anderen sind sie Okkultisten, die den Christenglauben nur vor sich herschieben, um vom Satanismus abzulenken, den sie eigentlich leben. Spannende Sache, find ich. Aber ich frag die Burschen nicht danach. Die haben die Angewohnheit, von einer Sekunde auf die andere komplett auszuticken. Ich tinte denen das Zeichen dorthin, wo sie’s haben wollen, und basta.«
»Welches Zeichen?«
»Na, das Petruskreuz. Schau, da beim Jocki auf dem rechten Oberarm.
Weitere Kostenlose Bücher