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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Felsen mit Kreuz drauf, das auf dem Kopf steht. ›Petrus‹ heißt Fels. Weiß ja jeder. Und der Petrus hat sich der Legende nach mit dem Kopf nach unten kreuzigen lassen. Darum Petruskreuz. Kirchen, die dem heiligen Petrus geweiht sind, haben ein umgedrehtes Kreuz auf der Turmspitze. Noch nie gesehen? Hier in München der Alte Peter, zum Beispiel. Aus dem hab ich mal … egal. Jedenfalls, Okkultisten verwenden das Kreuz auch. Und auch Satanisten und diese Art von Irren. Als Zeichen der Ablehnung von Gott und Kirche. Uns Kunstexperten fällt da natürlich sofort Georg Baselitz und sein auf dem Kopf stehender Christus ein.«
    Hartinger richtete sich auf der Hantelbank auf. Georg Baselitz war ihm bei dem, was Markus gerade erzählt hatte, nicht in den Sinn gekommen, sondern der Herrgottschrofen und eine tote nackte Weißrussin.
    Der Ministerpräsident ging am frühen Freitagabend zu Fuß zu seiner Wohnung im Lehel. Er hatte es eilig. Der Baron wollte mit ihm über die Zukunft sprechen. Die Zukunft des G-Projekts, wie sie die geplante Atommülldeponie im Garmischer Tunnel nannten.
    Freilich würde auch eine andere Zukunft an diesem Abend konkrete Formen annehmen: Der weitere Lebensweg des Ministerpräsidenten stand auf der versteckten Agenda.
    Um Punkt fünf klingelte es. Der Baron kam allein. Er ging immer unbewacht durch sein München. Zumindest dachte er das.
    Seine schmale Gestalt versank beinahe in der breiten Ledercouch. Der Ministerpräsident schenkte ihm einen Single Malt ein. Der Adlige nippte am Glas.
    »Danke, dass Sie am späten Freitagabend noch in der Stadt bleiben, mein Lieber«, sagte der bedeutende Gast. Beide wussten, dass der Ministerpräsident dem Baron viel mehr zu danken hatte als andersherum.
    »Für Sie würde ich auch nach Sibirien reisen, Baron von Storck. Danke, dass Sie es ermöglicht haben.«
    »Es war mir sehr wichtig, dass wir beide uns einmal unter vier Augen unterhalten. Ohne diese Unternehmensvertreter. Sind ja alle sehr anständige Manager und brave Steuerzahler. Aber unter uns, auch ein Vorstandsvorsitzender eines Energieriesen ist halt nur ein Angestellter.«
    »Wem sagen Sie das? Ich habe ja den ganzen Tag mit denen zu tun. Wollen in der kurzen Zeit, in der sie an der Spitze ihres Unternehmens stehen, alles Mögliche drehen, und wir in der Politik sollen willfährig jeden Quatsch mitmachen. Oder ausbaden, je nachdem. Aber richtige Gestalter sind das nicht. Das sind schon wir, die wir in der Politik die Richtlinien und Rahmenbedingungen vorgeben.«
    »So wie früher unsere Familien. Darum ist mir ja auch an einer starken Partei in Bayern gelegen. Langfristigkeit, Beständigkeit, Werterhaltung, mein Lieber. Das haben früher die adligen Familien geleistet. Die, die eben dazu in der Lage waren. Über die Jahrhunderte und die Moden hinweg. Und das müssen heute Menschen wie Sie tun. Und da gibt es leider nicht so viele. Schauen Sie sich mal diese Liberalen an. Eigentlich brauchbar. Konservativ im Kern. Aber heute so und morgen so.« Der Baron musste seinen Ekel mit einem Schluck Whisky herunterspülen.
    »Furchtbar«, stimmte ihm der Ministerpräsident zu. »Und jetzt wird auch noch die in Berlin wankelmütig. Atomausstieg – so ein Irrsinn! Energiewende – purer Populismus! Weil in Japan eine Welle ins AKW geschwappt ist. Haben wir hier Tsunamis? In der Isar? Wie der Dichter schon sagt: ›Wir sind auf erdbebensicherem Gebiet!‹« Auch der bayerische Landesvater musste sich mit einem großen Schluck beruhigen. Er spürte, wie ihm die Hitze, die der Methylalkohol in seinen Innereien verursachte, ein wohliges Entspannungsgefühl bereitete.
    »Reden wir nicht darüber, mein Bester«, seufzte der Baron. Und dann tat er es doch: »Welche Werte da vernichtet werden. Meine Bank finanziert ja die deutschen Energieerzeuger mit. Isar I und II gehören eigentlich mir. Genauso wie Gundremmingen. Gut, Führung heißt, das Beste draus zu machen. Also werden wir erst einmal das Ausstiegsthema zu unseren Gunsten drehen. Ich habe bereits über die Aufsichtsräte die Managements angewiesen, großzügig zu entlassen und alles auf den Ausstieg zu schieben. Damit werden wir die Gewerkschaften und die Linken spalten. Es wählt halt jemand nicht mehr so unbedacht Grün oder Sozi, wenn er durch deren Politik den Job verliert. Und ganz ehrlich: Da sind ja auch Heerscharen von Untätigen rumgesessen, in den Konzernen. Einen derartigen Wasserkopf in der Verwaltung haben ja nicht mal Ihre Ministerien,

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