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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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davon aus, dass sich das Europäische Patentamt der Sache beschleunigt annimmt.«
    »Keine Sorge, mein Bester. Das hat seinen Sitz nicht zufällig in München. Und wir haben dafür gesorgt, dass das nur Beamte mit deutschdeutschem Hintergrund bearbeiten.«
    »Äh … deutschdeutsch?«
    »Na ja, halt – Sie wissen schon – echte Deutsche halt. Ohne Hintergrund whatsoever. Mit Stammbaum, einem deutschen.«
    »Ahhh, ja.«
    »Apropos Konsortium. Deswegen bin ich eigentlich heute Abend hier. Sie wissen, dass meine Bank der wesentliche Gesellschafter dort ist. Zusammen mit d.off, MTA, Mainstahl und einer Bankenholding auf den Kaimaninseln, an der wiederum die deutschen Großbanken beteiligt sind. Ich kann die ja nicht draußen lassen. Denen gehören die anderen Gesellschafter ja. Anyway, mein Lieber: Dieses Konsortium wird einen Chef brauchen.«
    Der Ministerpräsident tat so, als müsste er angestrengt nachdenken. Er goss sich nach und lehnte sich zurück. »Hm … der Lödermann ist da ein zu kleines Licht. Noch. Ein paar Skandale als Minister hat der noch zu überstehen, bis der sich die richtige Schicht zugelegt hat. Teflon hat er schon. Für diesen Job aber braucht es eine Stahlpanzerung. Jemand aus der Forschung? Blöd, der Professor Geisler sitzt in Stadelheim. Bringt der seine Frau um. Depp. Jemand aus dem Rheinland, wo die Konzerne sitzen, geht nicht, ist der bayerischen Bevölkerung nicht vermittelbar. Ein Automann macht das nicht, ist denen zu unsexy. Alles eitle Fatzkes. Moment, der Lindauer? Oder vielleicht jemand, der keine Angst hat vor nichts und niemand. Der, der die Bayerische Agrar derzeit aufmischt. Na, wie heißt er gleich?«
    »Der? Nie und nimmer. Erstens gebe ich den nicht her, der muss da erst einmal den Turnaround hinkriegen; wenn der das nicht kann, dann keiner. Und zweitens achtet der auf sein Image. Der legt sich nicht mit Umweltschützern und Autonomen an.«
    »Dass die da auftreten, damit ist zu rechnen, ja. Zumindest am Anfang. Nicht die Garmischer selbst, aber die Berufsdemonstranten werden von Gorleben, Stuttgart und Berlin aus hier einfallen.«
    »Wenigstens werden sie kein illegales Hüttendorf auf den Wiesen errichten. Da schlagen ihnen die Garmischer selbst ein paar über die Schädel, dazu braucht’s gar keine Bereitschaftspolizei und Wasserwerfer diesmal«, freute sich der Baron.
    »Da haben Sie recht. Oder wartens, wir lassen ein paar Chaoten ein, zwei Wochenenden dort draußen campieren. Und dann sagen wir den Bauern: ›Schauts her, das habts jetzt davon, dass ihr die sauren Wiesen nicht für Olympia hergegeben habts!‹ Haha! Und dann geben wir die Chaoten zum Abschuss frei. Am Ende können wir vielleicht auch noch so einen Olympia-Verweigerer wegen Körperverletzung am Chaoten einkasteln!« Der Ministerpräsident strahlte wie ein frischer Brennstab. Die Vorfreude auf seine Rache an den Garmischer Bauern und der Maltwhisky wärmten die Seele und durchbluteten die Gesichtshaut.
    »Ich sehe schon, mein Lieber. Wie in den schottischen Highlands: Es kann nur einen geben.«
    »Herr Baron, Sie meinen doch nicht etwa … Nein, also bitte, machen Sie sich nicht über mich lustig«, schauspielerte der Ministerpräsident bambiverdächtig.
    »Jetzt gehen Sie zu, mein Bester. Wer in Bayern ist wie Sie durch die Stahlgewitter der unterschiedlichsten Skandale abgehärtet? Wer kennt jeden Bürgermeister landauf, landab? Wer kennt die Volksseele so gut wie Sie? Wenn es nach mir geht, dann machen Sie das!« Der Baron machte eine Pause. »Und es geht nach mir.«
    »Das ist … Ich muss mich da erst einmal sammeln, Herr Baron.«
    »Sie haben das Wochenende Bedenkzeit. Und – weil Sie gerade darüber nachdenken, wie ich an Ihren Augen sehe – wir zahlen zweistellig.«
    »Zweistellig? Im Monat?«
    »Vor dem Komma, in Mio, pro Jahr. Und der Firmensitz ist Liechtenstein. Nur zur Information.«
    Der Ministerpräsident saß stumm da und stierte auf den elektronischen Kalender, den ihm als Ehrenvorsitzender des Alpenvereins der Geschäftsführer der Bergbekleidungsfirma mit der Fuchstatze zu Weihnachten geschenkt hatte. Das Aprilmotiv zeigte die Drei Zinnen im Sonnenuntergang, darunter leuchtete das Datum dieses Tages: Den 29. April 2011 würde er wohl nie vergessen.
    Es war der Tag, an dem sich seine Tätigkeit in der Partei und in ungezählten Vereinen und Verbänden endlich rentierte. An diesem Tag war Zahltag. Der Zahltag seines Lebens. Am liebsten hätte er laut »Ja! Ich mach’s!«

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