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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Grund für das Alleinsein der Gerichtsmedizinerin war. In der äußerst weiblichen Hülle steckte wohl ein verkappter Mann, eine Kombination, die er im Gegensatz zu vielen seiner Geschlechtsgenossen, die scheinbar unkomplizierte Püppchen bevorzugten, schon immer reizvoll gefunden hatte. Er bestellte eine Flasche Sangiovese, passend zum Florentiner Steak, weniger passend zu seinem Fisch. Aber das machte ihm nichts aus, denn er würde am Wein sowieso nur nippen, hatte er sich vorgenommen.
    »Sie schreiben an einem Buch? Haben Sie dazu Zeit neben Ihrem Job?«, begann Hartinger das Gespräch, wegen dessen er eigentlich nach München gefahren war.
    »Oh, Verzeihung. Ich habe mich für mein Zuspätkommen noch nicht entschuldigt. Ja, tatsächlich musste ich erst noch eine Leiche waschen und sauber vernähen.« Als ob sie Hartinger testen wollte, machte sie mit der rechten Hand eine Nadel-und-Faden-Bewegung und ergriff dann genau mit dieser Hand den Brotkorb, um ihn Hartinger unter die Nase zu halten. Der nahm ungeniert ein Stück Brot heraus und biss hinein.
    »So habe ich das nicht gemeint. Ich denke, grundsätzlich ist das doch ein anstrengender Job, den Sie da haben.«
    »Nun ja, kein Mann, keine Kinder, kein Haustier. Was soll man da schon anderes machen.«
    »Schade drum, eigentlich.«
    »Nein, das mit dem Haustier muss Ihnen nicht leidtun. Ich wäre sicher eine ganz schlechte Hunde-Mama. Und es gibt ja schon genug Jack-Russel-Terrier als Kindersatz in München.«
    Hartinger wollte sein Kompliment nicht wiederholen. Es war sicher angekommen. »Da haben Sie wahrscheinlich recht. Und wie kann ich Ihnen helfen? Was wollen Sie von mir wissen?«
    »Sie haben zwanzig Jahre lang als Polizeireporter der SZ das Schaffen meiner Kollegen beobachtet. Dazu hätte ich ein paar Fragen.«
    »Gern. Aber ich hätte dann auch ein paar Fragen an Sie, wenn Sie gestatten.«
    »Sie haben mich doch schon ausgefragt. Sie wissen bereits, dass ich allein lebe, und sogar, wie mich meine Familie nennt.«
    »Na gut. Also Sie zuerst.«
    »Mich interessiert Folgendes: Ist das Genre der seriösen Polizeiberichterstattung durch die immer technischer werdenden Untersuchungsmöglichkeiten von geringerem Interesse für die Öffentlichkeit als vor zwanzig Jahren?«
    »Gute Frage. Auf den ersten Blick scheint das ja nicht so. Krimis im Fernsehen und in Büchern haben Hochkonjunktur. Aber Sie könnten recht haben. In Zeiten, in denen die DNA-Untersuchung viele Ermittlungen so viel leichter macht und eindeutige Beweise liefert, ist die Wirklichkeit vielleicht ein wenig fader geworden.«
    »Gerade deshalb wird so viel im Fernsehen herumgesponnen, könnte man daraus schließen.«
    »Klar. Schauen Sie sich doch mal diese US-Serien rund um Ihren Beruf an: CSI und so. Das grenzt ja an Magie, was die da machen. Vollkommen unwahrscheinlich. Trotzdem Millionenpublikum. Und keine amerikanische Großstadt, die kein eigenes CSI-Team ins Rennen schickt. Das sind ja die Regionalkrimis der Amis, diese Serien.«
    »Dagegen muss das ja langweilig erscheinen, was wir an seriöser Arbeit abliefern.«
    »Stimmt. Da sind die Tatortreiniger, die derzeit mit ihren Büchern so angesagt sind, schon wieder spannend. Da klebt die Rentnerleiche noch echt am Nylonteppich.«
    »Also müssen wir mehr blutige Details liefern, wollen wir unseren Beruf wieder stärker in den Fokus der Berichterstattung rücken, ja?«, fragte sie. »Sie müssen wissen, das ist mein Job im Pathologenverband«, erklärte sie, dann korrigierte sie sich schnell: »Das mit dem Fokus, meine ich, nicht mit den blutigen Details. Es sei denn, Sie hätten recht und es gehört dazu. Äh … nun ja, jedenfalls handelt mein Buch darüber. Ist eigentlich mehr eine Studie.«
    »Brauchen Gerichtsmediziner wirklich eine Lobby?«, wunderte sich Hartinger.
    »Es geht halt um Planstellen und Budgets. Zuerst vergisst uns der Mann auf der Straße, dann der Minister. Und dann fehlen ein paar Millionen. So einfach ist das. Derzeit schreien die Netzwerkfahnder am lautesten und kriegen ein Förderprojekt nach dem anderen bewilligt.«
    »Und produzieren damit lustige Trojaner …«
    »Lassen wir die Netzwerkfahnder Netzwerkfahnder sein. Hätten Sie, Herr Hartinger – oder darf ich Gonzo sagen? –, Interesse, uns in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ab und an beratend zur Seite zu stehen?«
    Hartinger stutzte. Ein Jobangebot der Universität München? Klar hatte er Interesse. So ein Beratervertrag bedeutete regelmäßige Einkünfte. Er

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