Herrgottschrofen
musste unbedingt Weißhaupt fragen, was er dafür verlangen konnte.
Der erste Gang wurde aufgetragen. Die Unterbrechung verschaffte Hartinger eine Denkpause. Er wollte nicht vorschnell antworten und sich dadurch vielleicht zu billig verkaufen.
»Aber Sie haben doch Ihren Chef-PR-Mann in dem Tatort-Pathologen aus Münster«, setzte er das Gespräch fort, nachdem Sardellen und Vitello ausreichend gekostet und gelobt waren und sie mit dem Rotwein angestoßen hatten.
»Der nervt uns ehrlich gesagt gewaltig. Zeichnet ein komplett falsches Bild. Ich fahre jedenfalls keinen Porsche und löse Fälle auf dem Golfplatz. Und mein Chef auch nicht.«
»Der muss übrigens ein toller Typ sein, meint mein Ex-Chef Weißhaupt. Mit dem haben Sie wohl Glück gehabt.«
»Allerdings. Stellen Sie sich vor, Gonzo, sagt der doch zu mir heute: Waschen Sie sich das Formaldehyd ordentlich aus den Haaren, Dotto, denn der junge Mann ist noch zu haben.«
»Unglaublich …« Hartinger tat empört.
»Ja, finden Sie auch, oder? Junger Mann … Da hat er aber reichlich falsche Informationen von Ihrem Mentor bekommen.«
»Hey, jetzt werden Sie mal nicht ehrlich, Dotti, das bin ich von Ärzten nicht gewohnt. Und von Frauen schon zweimal nicht!«
Sie lachten beide herzlich und stießen erneut mit dem Roten auf den Abend an.
Als kurze Zeit später Pasta und Salat auf dem Tisch standen, ging Hartinger zum Angriff über. »Jetzt mal zu meiner Frage. Sie haben nicht ganz zufällig in der letzten Zeit Knochen aus Garmisch untersucht?«
»Ihre Informationen scheinen noch besser zu sein als meine.«
»Und ist Ihnen etwas daran aufgefallen, was nicht im Bericht steht?«
»Sie meinen, außer der Tatsache, dass wir aufgrund des fehlenden Schädelknochens kein Gewaltverbrechen ausschließen können und aufgrund des fehlenden Beckenknochens das Geschlecht noch nicht eindeutig bestimmen konnten?«
Darauf hätte Hartinger auch selbst kommen können. Klar, das menschliche Knochengerüst machte nur an äußerst wenigen Stellen Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein. »Ach ja, das Becken ist ja unterschiedlich …«, murmelte er.
»Nicht in ihrem Aufbau, aber das sogenannte Hüftbeinloch, foramen obturarum , ist beim Mann schmal und spitz und bei der Frau weit und oval. Denn da müssen die Kinder bei denen von uns durch, denen ein Jack-Russel-Terrier nicht genügt.«
»Der Jack-Russel-Terrier würde demnach auch beim Mann durchgehen?«
»Neugeboren sicher. Aber nicht, dass Sie jetzt Ihrem Geburtsneid nachgeben und auf dem Nachhauseweg einen alleinstehenden Hund ansprechen. Das Becken allein wird Ihnen für eine Empfängnis nicht reichen.«
»Das müssen Sie mir mal genauer erklären. Ich bin vom Land. Sie wissen: Bienen, Blumen, Störche.«
»Hm, warum nicht. Zunächst aber zurück zu Ihrer Frage: Mir ist tatsächlich bei der Leichenschau etwas aufgefallen, was sich mir nicht erschlossen hat. Und zwar an den Füßen. Exostosen.«
»Exo…?«
»Überbeine. An beiden phalanges proximales fünf. Äußerst selten. Um ehrlich zu sein: kaum beschrieben. Überbeine treten normalerweise an den großen Zehen auf und nicht außen am Fuß.«
»Und da sind die Phangales …?«
» Phalanges proximales ,ganz recht. Die, von oben gesehen, dritten Knochen eines Zehs. Und in diesem Fall die der kleinen Zehen. Darum Nummer fünf. Also ganz außen. Geben Sie mal her.«
Bevor Hartinger sich versah, war Dr. Dorothee Allgäuer unter den Tisch getaucht und nestelte an seinem rechten Schuh herum. »Was ist das?«, hörte er ihre Stimme unter der weißen Tischdecke.
»Haferlschuhe. Vom Zollner in Partenkirchen.«
»Sind die auf der Seite gebunden?«, klang es gedämpft unter dem Tisch hervor.
Hartinger versuchte, einen entspannten Eindruck zu machen, während die gesamte Besatzung des Ristorante aufmerksam zusah, was sich an und unter seinem Tisch ereignete. Er war unendlich froh, dass er sich am Donnerstag vor seinem Date mit Svetlana die Fußnägel geschnitten und vor dem Aufbruch nach München geduscht und frische Socken angezogen hatte. Denn eben wurden ihm der Schuh des rechten Fußes ausgezogen und der Strumpf abgestreift.
Frau Doktor drückte auf einen Knochen rechts außen an seinem Fuß, und Hartinger verspürte einen stechenden Schmerz, als hätte sie ihm eine glühende Stecknadel ins Fleisch gerammt. Laut gellte sein Schrei durch das Lokal.
Mit einem Schlag verstummten die Gespräche an den Tischen. Nur der CD-Player dudelte weiter eine zum
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