Herrgottschrofen
Beschaffungsausschusses. So so.«
»Ganz genau. Du verstehst, ich muss das Geld unserer Steuerzahler an den richtigen Stellen einsetzen. Stell dir vor, zum Beispiel hab ich zurzeit zwei Anträge für einen neuen Feuerwehr-Rüstwagen auf meinem Tisch. Einen aus Garmisch und einen aus Partenkirchen. Das Geld reicht aber nur für einen. Bevor ich da eine Entscheidung treff, muss ich doch sicherstellen, dass mit dem neu angeschafften Material auch vernünftig gearbeitet wird.«
Grammingers Miene verfinsterte sich. »Wennst meinst, Hans. Dann machen wir jetzt eine Heustockübung. Da werden sich die Männer aber freuen. Weißt ja, dass das keine dahergelaufenen Aushilfskellner sind, sondern angesehene Bürger und Wähler. Gerade die Heuabteilung.«
»Ja ja, Last und Freude des Ehrenamtes. Wem sagst du das. Aber beruhig dich wieder. Manche haben vielleicht eh nicht gewusst, was sie dieses Wochenende machen sollen. Und was ist schöner, als in einem Heustadel rumzuliegen. Das duftet doch schon so großartig, das Heu. Erdet doch unsere erfolgreichen Bürger, wenn die mal wie früher draußen übernachten.« Der Bürgermeister wusste nur zu gut: Einige lang gediente und honorige Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Partenkirchen, darunter der Gruber Veit, hatten sich genau diesen Job in der Heuwache ausgesucht, weil eigentlich auszuschließen war, dass man öfter als alle drei oder vier Jahre einen Einsatz hatte. Es gab ja immer weniger Bauern, die ihr Heu nicht in den grünen Plastikfolien silierten, sondern noch auf die traditionelle Art in den Heustadeln aufbewahrten. Und an eine Übung hatte noch nie jemand gedacht.
Diese zu schwänzen bedeutete jedoch einen groben Verstoß gegen den Ehrenkodex der Feuerwehrler und damit einen riesigen Ehrverlust in der Gemeinde.
Gramminger drehte sich wortlos auf dem Absatz herum und ging in seinen Leitstand. Eine Minute später meldeten bei den acht Männern des Heuzuges in Partenkirchen die Einsatzpiepser und Mobiltelefone, dass sie sich sofort in der Feuerwache in der Münchner Straße einzufinden hätten.
Kurze Zeit danach rauschten sieben schwere Limousinen und Geländewagen angesehener Partenkirchner Geschäftsleute auf den Hof der Feuerwehr. Es fanden sich ein: der Wirt des Gasthauses Zum Rassen, der Buchhändler einer der ältesten Buchhandlungen Bayerns, der Apotheker aus der Ludwigstraße, der Vorsitzende des Volkstrachtenvereins, der Inhaber einer der größten Metzgereien des Landkreises, der Vorsitzende der Bäckerinnung und der Besitzer der Friedhofsgärtnerei.
Das achte und letzte Auto war der 7er BMW von Multiunternehmer Veit Gruber.
Seinen Spezl, den Meier Hansi, traf er nicht mehr an. Der hatte sich umgehend ins Wochenende aufgemacht, nachdem er dem Gruber Veit das seinige versaut hatte.
Hartinger wartete schon eine Viertelstunde lang und hatte den Brotkorb bereits leer gefuttert. Er verfluchte sich dafür, dass er nicht darauf bestanden hatte, dass der Kellner des Schwabinger Edelitalieners Il Mulino die kohlenhydratreiche Zugabe in die Küche zurücktrug. Er hätte mit der Dreiviertelliterflasche Pellegrino vorliebnehmen und das Brot erst beim Eintreffen seiner Verabredung bestellen sollen.
Denn weißes Mehl vor fettreichem Essen war ja der Kardinalfehler. Er kannte die Theorien der Low-Carb- und Montignac-Jünger besser als so manche Redakteurin von Glamour und Instyle. Weißes Mehl hatte einen astronomisch hohen glykämischen Index. Sein Körper würde ab jetzt in rauen Mengen Insulin ausschütten, um den Zucker zu verarbeiten. Und wenn gleich das Fett von Olivenöl und Vitello Tonnato und Hauptspeise dazukäme, würde das Insulin dieses Fett sofort an seinen Lieblingsplatz auf den Hüften befördern. Er würde am folgenden Tag eine Extrarunde laufen müssen, um das wieder herunterzubekommen. Eine extralange Extrarunde.
Auf der anderen Seite schmeckte das italienische Brot halt zu gut. Und irgendetwas musste er ja machen, allein an dem Tisch sitzend, der für zwei eingedeckt war. Er wollte sich nicht die Blöße geben und wie die Münchner Wichtigmänner um ihn herum auf dem Telefon herumtippen. Zumal sein altersschwacher Blackberry, den er einmal aus arabischen Beständen erhalten hatte, mit den ihn umgebenden iPhones in Stil und Funktion nicht mithalten konnte. Lieber betrachtete er kauend das Publikum im bis auf den letzten Platz gefüllten Il Mulino, die Erfolgreichen und Schönen der Stadt, die sich an diesem Freitagabend hier stärkten, um danach
Weitere Kostenlose Bücher