Herrgottschrofen
Grubers Seite des Schreibtisches eine lange Pause. »Sie neigen wirklich zur direkten Aussprache, Hartinger. Aber das ist nicht schlecht. So ein erfolgreicher Unternehmer wie ich, der verliert ja gern mal den unvoreingenommenen Blick auf die eigenen Engagements. Betriebsblindheit. Liest man immer wieder.« Dabei tippte Gruber auf einen Stapel noch in Versandfolie verpackter Harvard Business Manager.
»Und, wissen Sie was, Herr Gruber? Ich würd Ihnen vielleicht sogar das eine oder andere Projekt auch zukommen lassen. Zumindest die Idee dazu.«
»Da bin ich sehr gespannt. Zum Beispiel?«
»Freilich. Ideen sind nicht schützbar. Sie machen’s, und ich schau in die Röhre.«
»Okay, Hartinger, sagen Sie mir mal eine Idee, und wenn die mir gefällt, dann sind Sie als Pressesprecher dabei. Ehrenwort.«
Hartinger hatte den geltungssüchtigen Mann beinahe dort, wo er ihn haben wollte. Zum Schein zögerte er noch ein wenig. »Ehrenwort, Ehrenwort. Wer schreibt, der bleibt.«
Gruber tippte einen Satz in den PC, druckte ihn auf ein Blatt Papier und unterschrieb. »Langt das, oder wollen Sie zum Notar, Hartinger?«
Hartinger las den Satz, der das Ehrenwort Grubers ausdrückte, gut zehn Mal. Dabei registrierte er mit Genuss, wie Gruber nervös mit den Fingern auf die Tischplatte trommelte.
Dann faltete er das Papier fein säuberlich zusammen und verstaute es in der Brusttasche seines Flanellhemdes. Dass er dabei umständlich einen Knopf öffnen musste, brachte Gruber an den Rand des Wahnsinns.
Endlich erlöste ihn Hartinger. »Na gut. Eisrevue, Herr Gruber. Casa Carioca. Paradise on Ice. Jo Saunders.«
Gruber starrte ihn an. »Ha?«
»Wir machen Garmisch-Partenkirchen zum internationalen Zentrum des Eislaufsports. Wie damals in der Casa Carioca. Der Name ist nicht geschützt, den müssen Sie bloß nehmen. Und sofort haben Sie die Tradition, Sie haben Erol Flynn, Liz Taylor, eine Riesengeschichte. Und Jo Saunders, die aus Garmisch stammt, nehmen Sie als Galionsfigur. Und die ganze Historie füllen Sie auf mit modernen Eisshows. Das ganze Jahr über. Wir haben hier ein Eisstadion, das spielt seine Kosten nie im Leben ein. Wenn Sie das ein bisserl aufhübschen, dann können Sie da täglich vor einigen Tausend Menschen eine Show aufführen. Ach was, eine nachmittags und eine am Abend. So, wie sie das in Hamburg mit ›König der Löwen‹ und dem ganzen Musical-Schmarrn machen. Da muss man mit dem Schiff hinfahren. Tagestouristen aus München holen Sie halt mit dem Bus ab oder mit Sonderzügen, zeigen denen die Show und karren sie zurück. Und an der Verköstigung und dem ganzen Merchandising verdienen Sie auch. Ist ja alles da. Man muss es nur zusammenführen. Und ordentlich Marketing machen.«
»Und das machen Sie, Herr Hartinger?« Veit Gruber hatte zum ersten Mal » Herr Hartinger« gesagt.
»Genau. Dazu brauchen Sie jemanden, der Stern, Spiegel, Focus und TV- und Radio-Leute kennt. Hier sitzt er.« Hartinger wunderte sich über sich selbst. Erstens war das gar nicht einmal an den Haaren herbeigezogen, was er dem Gruber da verkaufte. Zweitens würde es ihm vielleicht sogar Spaß machen. Und sei es nur deswegen, um seinen verschnarchten Garmischern mal zu zeigen, was sie mit ihrer Geschichte alles anfangen konnten, wenn nur mal einer aufwachen würde.
Veit Gruber inhalierte tief den Zigarillorauch. »Noch einen Kaffee, Lydia!«, brüllte er durch die Bürotür. Und dann: »Gar nicht so schlecht, Herr Hartinger. Hätt ich auch selbst draufkommen können.«
»Sind Sie aber nicht, Herr Gruber.« Hartinger tippte auf die Erklärung, die in seiner Hemdtasche steckte. »Und ich hab noch was: Wir nennen Garmisch-Partenkirchen in Zukunft einen ›Immersportort‹. Hab ich mir schon schützen lassen.«
»Immersportort anstatt Wintersportort … Gute Idee, Herr Hartinger. Auch nicht schlecht. Und was war mit der Jo … äh, Dingsda?«
»Die kennen Sie doch, die Geschichte. Die Jo Saunders ist in USA die Königin der Eisshows. An Land, auf dem Wasser, in der Luft. Es gibt keinen Ort, wo sie nicht phänomenale Erfolge gefeiert hätt. Und die kommt aus Garmisch. Geborene Josepha Stiller. Stellen Sie sich die Story vor. Sie kommt mit achtzig Jahren zurück in ihre Heimat und schenkt der Bevölkerung die beste Show, die sie jemals gemacht hat. Was für eine geile Geschichte – und Sie, Veit Gruber, sind der Impressario, der Big Man, der das möglich macht. Am ersten Immersportort der Welt. Stellen Sie sich das einmal
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