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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Bank weg sehr gut aussehende Frauen. Dann waren die jungen Leute von Galeristen, Rechtsanwälten und Professoren abgelöst wurden. Und von Müßiggängern, von denen Albert Frey auch nach einer Stunde Unterhaltung immer noch nicht wusste, was sie eigentlich tagsüber machten.
    Erst gegen zwei hatten die beiden elder Statesmen die Bar in ihren ungleichen Aufzügen verlassen. Weißhaupt hatte wie immer die rote Breitcordhose und das Tweedsakko getragen und seinen englisch anmutenden Schlamperlook mit einem violetten Schal gekrönt. Der Wandererlook Freys hatte an diesem Abend niemanden mehr gestört, ihn selbst am allerwenigsten. Er fand die Leute alle sehr freundlich, was auch kein Wunder war, denn für die meisten von ihnen war es eine große Ehre, dass Weißhaupt sie an seinen Tisch gebeten hatte, und Weißhaupt hatte Frey jedem als seinen »alten Freund Frey aus den Bergen« vorgestellt. Die beiden älteren Herren hatten es prächtig verstanden, sich gegenseitig die Bälle zuzuwerfen. Was der eine an Klatsch der letzten dreißig Jahre nicht wusste, konnte der andere durch profundes Geschichtswissen, das er anekdotisch einstreute, ergänzen. Dies machte den Abend zu einem der außergewöhnlichen, an Esprit überschäumenden Schumann’s-Abende, an dem neue Filme und Magazine oder wenigstens Kolumnen und Artikel erdacht wurden – wenn sich die Erfinder am nächsten Tag an ihre Eingebungen noch erinnerten.
    Hinsichtlich des Falls Hartinger war allerdings bei der Unterredung mit Kurt Weißhaupt nichts herausgekommen, rekapitulierte Albert Frey, während er auf die junge Frau Doktor wartete. Vielleicht hatte er so etwas wie einen neuen Freund gefunden, immerhin. Das kam in seinem Alter ja nicht mehr so oft vor. Kurt hatte ihn sogar im Gästezimmer seiner Stadtwohnung übernachten lassen. Mit dem Auto hätte er natürlich nicht mehr fahren können. Als er es am Vormittag in der Ludwigstraße abholen wollte, hatte sich zu dem Strafzettel wegen fehlender Umweltplakette ein weiterer wegen abgelaufenen Parkscheins gesellt. Das nahm Albert Frey mit einer weltmännischen Gelassenheit zur Kenntnis, die er bisher nicht von sich gekannt hatte. Und da der Strafzettel schon ausgestellt war, konnte ja nun nichts Schlimmeres mehr passieren, also ließ er den Wagen einfach stehen.
    Den Weg ins Il Mulino zu Fuß zu gehen bereitete ihm große Freude, denn er führte ihn durch die Schellingstraße, wo er irgendwann im vergangenen Jahrtausend Deutsch auf Lehramt studiert hatte.
    Als die junge Dame, auf die er wartete, das Restaurant betrat, fühlte er sich um Jahrzehnte verjüngt. Das Großstadtleben überraschte ihn als Stellvertreter des eingekerkerten Karl-Heinz Hartinger mit immer neuen Aspekten. Er vergaß die Sorge um die zu erwartende horrende Rechnung und dachte an das Polaroidfoto, das er in seiner braunen Aktentasche mit sich herumtrug. Und an die Botschaft auf dem immer noch daran klebenden gelben Post-it-Zettel.
    »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen«, begrüßte er Dorothee Allgäuer.
    »Ist mir eine Ehre. Ich habe so viel von Ihnen gehört. Gonzo ist ja ein großer Fan von Ihnen.«
    »Tatsächlich. Ich wusste gar nicht, dass Sie sich so ausführlich mit Herrn Hartingers Familie beschäftigt haben.«
    Haben Sie nicht, dachte er. Ich weiß, was Sie auf den Zettel geschrieben haben.
    »Doch, doch. Sie sind der Onkel der Kindsmutter.«
    Haben Sie also doch!, wunderte sich Albert Frey im Stillen.
    »Das ist richtig. Es ist eine Schande, was mit ihm passiert ist. Können Sie mir das erklären? Sein Anwalt spricht von – nennen wir es – Samenraub aus Ihrer Wohnung. Es ist mir peinlich, so etwas mit Ihnen zu besprechen. Aber was hilft’s? Wir müssen ihn aus Stadelheim wieder herausbekommen.«
    »Tun Sie sich keinen Zwang an. Ich bin Medizinerin. Gerichtsmedizinerin. Ich habe schon mal einen nackten Menschen gesehen, wissen Sie? Viele davon. Teilweise in sehr interessanten Zuständen.« Dorothee Allgäuer steckte sich genüsslich ein Grissini in den Mund.
    »Das glaube ich. Also sehen wir den Fakten ins Auge. Wenn er nichts mit der Toten hatte, der Karl-Heinz, also kein Verhältnis, Sie wissen schon, kein sexuelles …«
    »Wenn er sie nicht gebumst hat … Ja, ich kann folgen.«
    Albert Frey schaute irritiert. »Ja, dann hat also jemand diese – sagen wir – Flüssigkeit … bei Ihnen beschafft und in die Leiche eingebracht. Da Sie dort arbeiten, wo die Leiche liegt und untersucht wurde, ist ein gewisser Zusammenhang

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