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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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nicht von der Hand zu weisen.«
    Die junge Ärztin wurde todernst. »Ich war es nicht. Ich schwöre bei meiner Dissertation, bei meiner Approbation, bei meiner rechten Hand: Ich habe mit der Sache nichts zu tun.« Dann wich der Ernst aus ihrem Gesicht. »Also nicht mit der Verbringung des Spermas. Mit der Gewinnung vielleicht schon.« Dabei schaute sie den Oberstudienrat a. D. mit einem Dackelblick an, als hätte sie als Neuntklässlerin unerlaubt den Oberstufenball besucht.
    »Sie sind erwachsen und können machen, was Sie wollen. Aber wie ist die … die Flüssigkeit dann aus Ihrer Wohnung herausgekommen? Das ist die erste Frage. Und dann schließt sich die Frage an: Wie ist sie in die Leiche hineingekommen?«
    »Ich habe keine Ahnung. Eingebrochen wurde bei mir nicht. Zumindest habe ich nichts davon bemerkt.«
    »Das muss nichts heißen.« Albert Frey räusperte sich. »Jetzt muss ich mal was sehr Peinliches fragen …« Er schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein.
    »Fragen Sie. Ich bin Ärztin.«
    »Was machen Sie damit?«
    »Womit?«
    »Mit dem … Na ja, wie entsorgen Sie das … Sperma?«
    Dorothee Allgäuer musste lachen. Sie lachte immer lauter, fast hysterisch. Vieles war sie schon von Männern gefragt worden, aber das war neu. Und der, der ihr die Frage stellte, war ein pensionierter Lehrer mit Henri-Quatre-Bart. Könnte ihr Vater sein, der Mann.
    »Na ja …« Auch sie wurde bei diesem Thema ein wenig verlegen, worüber sie sich selbst wunderte. »Teilweise … hm … natürlich, ich meine … Aber das ist ja dann weg. Sozusagen verdaut, Sie verstehen? Das kann ja niemand mehr stehlen. Und ansonsten landet es im Kondom. Die werden meistens oben zugebunden. Sie wissen das doch selbst, so alt sind Sie doch nicht!« Sie musste wieder hysterisch lachen.
    »Ja, so weit erinnere ich mich an die Vorkriegszeit. Und dann? Das ist das wirklich Spannende: Toilette oder Müll?«
    »Toilette oder Müll? Beides … So wie’s kommt, hätte ich jetzt beinahe gesagt.« Sie musste einen weiteren Lachanfall unterdrücken. »Nein, es kann schon sein, dass da auch mal eins im Mülleimer in der Küche landet.«
    »Gut.« Albert Frey war warm geworden. Sehr warm. Er atmete tief durch. »Dann die Frage: Haben Sie den Küchenabfall am Montag weggebracht? Aus der Wohnung?«
    »Nein, das macht meine Perle. Die kommt am Dienstag. Bis dahin stopfe ich den Müll immer in den Eimer.« Sie seufzte. »Was ich Ihnen alles gestehe …«
    »Also hätte jemand am Montag in Ihre Wohnung eindringen und aus dem Mülleimer den Samen von Karl-Heinz Hartinger stehlen können«, folgerte Frey.
    »Eindringen …« Sie kicherte wie ein Schulmädchen. »Ja, das wäre möglich. Aber ich hab nichts gesehen. Keine aufgebrochene Tür, nichts. Und ich wohne im fünften Stock, da steigt auch niemand durchs Fenster ein.«
    »Sicher?«
    »Ha!«, rief sie durch das ganze Lokal. »Wie kann man nur so dämlich … Die Videokamera! Dazu hab ich sie ja! O mein Gott, die hatte ich völlig verdrängt, nachdem ich sie gebraucht habe, um ein Wochenende vorher dem Gonzo das Alibi zu untermauern. Aber eingeschaltet hab ich das Ding wieder, nachdem die Polizei die Festplatte kopiert hatte.«
    »Prima. Dann sehen wir uns jetzt Ihr Überwachungsvideo an. Herr Ober, zahlen!« Albert Frey fiel ein großer Stein vom Herzen. Nicht nur, dass eine vage Möglichkeit bestand, Karl-Heinz Hartinger zu entlasten. Er musste auch keine riesige Zeche beim Nobelitaliener bezahlen, sondern nur die horrend teure Flasche Pellegrino und zweimal Gedeck.
    Seit er als Dreizehnjähriger »Papillon« gelesen hatte, hatte Karl-Heinz Hartinger einmal Knasterfahrung machen wollen. Mit sich selbst allein sein, ganz auf sich gestellt. Sich in der extremen Ausgeliefertheit beweisen müssen. Gegenüber den Wachleuten. Gegenüber den Mitgefangenen. Erleben, wie er auf die größtmögliche Einschränkung der eigenen Rechte reagierte.
    Dazu war es in den vergangenen dreißig Jahren noch nie gekommen. Hartinger hatte seine Probleme mit der Obrigkeit gehabt, aber er hatte niemals so über die Stränge geschlagen, dass sie ihn eingebunkert hätten. Das Knastleben hatte er dennoch kennengelernt. Am Rande. Als Besucher. Mehrmals hatte er sich als Polizeireporter nicht auf Protokolle und den Eindruck verlassen, den Delinquenten in Gerichtsverhandlungen gemacht hatten. Er hatte einige von ihnen in den Justizvollzugsanstalten besucht. Mörder, Mitglieder des organisierten Verbrechens,

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