Herrgottschrofen
zum Opfer fiele? Er musste ja nicht gleich sterben. Ein geschickt eingefädelter Verrat konnte ebenfalls die erwünschte Wirkung haben.
Anton Brechtl schnitt sich ein großes Stück vom Schweinsbraten ab und hebelte es sich querkant in den Schädel. Während er darauf herumkaute, nickte er anerkennend. Dann blickte er von seinem Teller auf und der Bedienung hinterher, die soeben von der Terrasse in die Gaststube ging. »Saftig«, meinte er anerkennend.
»Gutes Fleisch, gell«, freute sich Veit Gruber über das Lob des Freundes.
»Ja, die Sau auf dem Teller auch«, meinte der Bagger-Toni und lachte seine dreckigste Lache.
»Weshalb ich dich hergebeten hab, Toni. Ich hab da ein Wahnsinnsprojekt. Und ich wollt es dir sagen, bevor es die Runde macht. Weil: du willst es vielleicht unterstützen oder dich daran beteiligen.«
»Kommt jetzt wieder dein Tempel-Freilichtmuseum da rings umadum?« Der Bagger-Toni hatte von den Plänen des Veit Gruber gehört, am Fuß des Berges Wank ein Zentrum aller Weltkulturen zu errichten.
»Das liegt derzeit a bissl auf Eis. Internationale Investoren …«, seufzte Gruber und schaute zum Himmel. »Aber da sind wir schon beim Thema: Eis. Wir machen Garmisch zum internationalen Zentrum für Eissport.«
»Sind wir das nicht schon?«
»Bundesleistungszentrum für Curling und Eisstock, ich bitt dich herzlich. Diese Steinschieberei. Ich spreche von der hohen Kunst des Eislaufens.« Veit Gruber machte mit Unterarmen und Händen eine für Männer seines Schlages ungewöhnliche Bewegung, so als wolle er zwei auseinanderfließende Wellen beschreiben.
Der Bagger-Toni interpretierte die Geste sofort auf seine Weise. »Bist schwul worden?«
»Ah geh. Ein Mordsgeschäft wartet darauf, entwickelt zu werden. Ein Schatz, den wir heben können, Toni!« Dann erzählte er dem Bagger-Toni von der Casa Carioca, von Jo Saunders und vom überdachten Skistadion mit angeschlossenem Slalomhang für Sommerskifahren. »Immersportort, verstehst? Immer. Sport.« Dabei ließ er die rechte Hand den Talkessel nachzeichnen, den man von der Terrasse des Panorama so einmalig im Blick hatte. Er gab sich Mühe, die Armbewegung männlich und nicht zu schwärmerisch rüberkommen zu lassen.
Der Bagger-Toni war mittlerweile mit seinem Schweinsbraten fertig und spülte die Zahnzwischenräume mit einem Maulvoll Bier aus. »Ich bagger dir alles, was du da brauchst, keine Frage.«
»Ich brauch aber nicht nur deine Bagger. Ich brauch ein bissl Pulver von dir, Toni.«
»Du, ich hab so interessante Projekte, ganz ehrlich, die sind ein paar Nummern größer …«
»Ich schick dir meinen Businessplan. Du wirst begeistert sein. Bei der Rendite kannst nicht Nein sagen. Aber ich bräucht noch was von dir. Könntest in München ein Wort einlegen für den Hartinger? Dass der im Knast arbeiten darf für mich, einen Laptop bekommt oder so? Du hast doch die besten Kontakte nach ganz oben, Toni.«
»Bist narrisch? Hat uns genug gekostet, dass der ausgeschaltet ist!«
Veit Grubers Augen verengten sich. »Wer ist jetzt ›uns‹, Toni? Und wer hat den ausgeschaltet?«
Anton Brechtl spürte, dass er einem abgezockten Geschäftsmann wie dem Veit Gruber gegenüber vorsichtiger sein musste. »Ich mein halt, sind doch alle froh, dass der nicht mehr hier umanandaspringt. Dass Ruhe herrscht im Tal.«
»Hast auch wieder recht, Toni. War nur so eine Idee.« Auch Gruber hatte ein sicheres Gespür dafür, wann es Zeit zu reden und wann es Zeit zu schweigen war.
Albert Frey spürte eine leichte Panikattacke in sich aufsteigen, während er in die Karte des Il Mulino starrte. Mit der Summe, die er in diesem Restaurant für ein Mittagessen hinblättern sollte, hätte er in Garmisch die Einkäufe einer ganzen Woche bezahlen können.
Doch ihm war keine vernünftige Alternative eingefallen, als ihm Frau Dr. Dorothee Allgäuer am Telefon dieses Lokal vorgeschlagen hatte. Er kannte in München sonst nur das Hofbräuhaus. Und seit Neuestem das Schumann’s. Sich dort mit der jungen Dame zu treffen hielt er jedoch nicht für angebracht. Außerdem wusste er nicht, ob er einen Tisch bekommen hätte.
Obwohl er am Vorabend viele Stunden mit der grauen Eminenz Kurt Weißhaupt im Schumann’s verbracht hatte. Gemeinsam hatten die beiden Pensionäre einen wechselnden Hofstaat an Weißhaupts Tisch unterhalten. Weißhaupt hatte immer wieder junge Medienschaffende an seinen Tisch gebeten, darunter auffallend viele und überdurchschnittlich junge und durch die
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