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Herrgottschrofen

Herrgottschrofen

Titel: Herrgottschrofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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Wirtschaftskriminelle.
    Von daher kannte er Stadelheim. Doch es war etwas ganz anderes, im Besucherraum auf der dem Ausgang zugewandten Seite des Tisches zu sitzen als auf der Seite, hinter der es wieder zurück in den Zellentrakt ging.
    Besuch bekam Hartinger täglich. Von seinem Anwalt. Dr. Mertens war ein Mann, der offenbar nie lachte, nicht einmal lächelte. Er unterhielt sich mit Hartinger auch nur über das Nötigste. Klärte ihn über seine Rechte als Untersuchungsgefangener auf. Was er sich gefallen lassen musste und was nicht. Fragte, was Hartinger benötigte, vor allem an Medien, ob er Besuch haben wollte und von wem. Dies alles notierte er und stellte dann seine Anträge. Am nächsten Tag kam er mit den Ergebnissen.
    Obwohl Hartinger erst den dritten Tag einsaß, kam es ihm schon wie eine langjährige Routine vor. Der Knast zog die Zeit in die Länge. Lebenslänglich würde sich also anfühlen wie drei Leben lang, mindestens.
    Über seinen Fall unterhielten sie sich kaum. Hartinger hatte in der ersten Sitzung seine Sicht der Dinge geschildert, und Dr. Mertens hatte ein genaues Protokoll angefertigt. Er zog die Angaben seines Mandanten nicht in Zweifel, erklärte ihm aber, dass sich diese Geschichte für Außenstehende unglaubwürdig anhöre.
    Dr. Mertens war auch immer anwesend, wenn Jürgen Hanhardt aus Weilheim als ermittelnder Kriminalbeamter kam, um Hartinger zu vernehmen. Er hatte das bisher zweimal getan, gleich am Dienstagmorgen und an diesem Donnerstag, ebenfalls am frühen Vormittag. Er stellte immer wieder die gleichen Fragen: Wie es sein konnte, dass Hartingers Sperma in Svetlana Ryschankawas Körper gefunden worden war, ob sich Hartinger ganz sicher sei, keinen Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt zu haben, und ob nicht in der Woche vor dem Wochenende etwas zwischen ihnen gelaufen sei, denn man habe Zeugen, die Hartinger und die Ryschankawa, wie sich Hanhardt unsentimental ausdrückte, am Donnerstag in trauter Zweisamkeit im John’s Club gesehen hätten. Es würde Hartinger doch entlasten, wenn er das zugäbe, denn sein Alibi für das Wochenende sei ja durch die Videoaufzeichnungen aus Dr. Allgäuers Wohnung hinreichend glaubhaft.
    »Hinreichend glaubhaft?«, hatte Hartinger an dieser Stelle eingeworfen. »Warum nicht einfach glaubhaft?«
    Ansonsten beantwortete er die meisten Fragen nur knapp, gab aber das Date mit Svetlana am Donnerstagabend natürlich zu, und er erklärte auch den Grund für seinen Annäherungsversuch, nämlich dass er sich Informationen über den Bagger-Toni von ihr erhofft hatte. An den hatte er herankommen wollen, nicht an Svetlana. Und dass sie nach dem Besuch des John’s getrennter Wege gegangen waren. Und dass das alles mit den Knochen am Herrgottschrofen zu tun hatte.
    Kriminalhauptkommissar Hanhardt wollte von einem Zusammenhang zwischen dem Knochenfund und dem Tod der Ryschankawa nichts wissen. Er begründete dies mit einem »Zirkelschluss«, wie Dr. Mertens die Argumentation des Polizisten immer wieder bezeichnete, und der lautete, dass Hartinger ja nichts mit dem Tod der jungen Frau zu tun haben könnte, die in den Vierzigern oder Fünfzigern am Herrgottschrofen vergraben worden war. Also tauge dieser Knochenfund auch nicht, Hartinger in irgendeiner Weise im Fall der Ryschankawa zu entlasten.
    Natürlich war längst klar, wo sie ihn hinhaben wollten: Der Freitag war die Lücke. Hanhardt hatte Hartinger von den Obduktionsergebnissen berichtet – von Obduktion eins und Obduktion zwei –, wobei er »aus ermittlungstaktischen Gründen« nicht damit herausrücken wollte, warum oder auf wessen Veranlassung die Leiche nach einer Woche noch einmal obduziert worden war. Jedenfalls sei laut den Ergebnissen beider Leichenöffnungen nicht ausgeschlossen, dass die Ryschankawa am Freitag gestorben sei, so Hanhardt. Sie habe sich am Freitagmittag aus der Eisstockhütte ins Wochenende verabschiedet, ab zwölf Uhr mittags habe ihre Schwägerin Dienst geschoben. Also könnte sie ihre Liaison mit Hartinger am Freitagnachmittag fortgesetzt haben, und dabei hätte es zum Tod durch Überkopfhängen kommen können. Da Hartinger erst abends um acht in München mit Dr. Allgäuer verabredet gewesen war, sei dies ein Zeitfenster von immerhin sieben Stunden.
    »Und das reicht«, schloss Hanhardt seine zum fünften Mal wiederholten Betrachtungen.
    Hartingers Anwalt wiederholte seinerseits zum sechsten Mal, dass sein Mandant felsenfest der Überzeugung sei, Opfer eines Komplotts zu

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