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Herrgottswinkel

Herrgottswinkel

Titel: Herrgottswinkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ramona Ziegler
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gemacht, wenn das Heu mit einem Ladewagen abgeladen wurde und mit einem großen Greifarm von einem Bagger auf den Heustock transportiert wurde. Wir drei Kinder waren immer mittendrin, das war die Haupt sache.
    Wenn Hubi, Nanne und ich in einer Reihe hinter den Kühen im Stall standen, dann hat der Vater von Nanne und Hubi uns dreien die warme Milch beim Melken in den Mund gespritzt. Doch damit war es jäh vorbei, als die Melkmaschine Einzug in die Ställe hielt, was andererseits eine enorme Erleichterung und Zeitersparnis für die Landwirte bedeutete. Uns Kindern fehlte leider ab diesem Moment der Spaß von früher!
    Schlimm war, wenn ein Schwein geschlachtet wurde. Als ich an einem Wochenende einmal meine Mutter zum Arbeiten begleitete, musste im Schuppen gegenüber der Gastwirtschaft ein Schwein dran glauben. Die Sau riss aus und in ihrer Todesangst lief sie quiekend quer über den Hof zum Parkplatz. Die Männer aus der Gaststube und der Metzger fingen sie jedoch wieder ein, und sie wurde geschlachtet. Ich saß gerade auf der Eckbank in der Küche und verfolgte das Geschehen durch das Fenster. Noch nie hatte ich so viel Blut gesehen. Ich sah die dicke Sau auf dem Rücken in einer Wanne liegen, alle vier Füße von sich gestreckt und wie mehrere Männer zwei Eisenketten unter ihr hin und her zogen, um die Borsten zu entfernen. Von da an hat es eine lange Zeit gedauert, bis ich wieder Fleisch und Wurst essen konnte.
    Weitaus schöner ist die Erinnerung an die feinen Sachen, die Lina immer in der großen Küche des Bauernhauses für uns zubereitete. Am Karsamstag stand sie einmal den ganzen Tag in der Küche und kochte für den Ostersonntag vor. Sie hatte einen großen, lockeren Hefezopf mit vielen Weinbeeren gebacken. Jetzt war sie gerade dabei, den Zopf mit einer Zuckerglasur zu bestreichen. Es duftete herrlich im ganzen Haus. Nanne, Hubi und ich standen um den Küchentisch herum und konnten es kaum erwarten, eine Scheibe von dem köstlichen Gebäck zu erhaschen.
    »Heute ist noch nicht Ostern«, sagte Lina unnachgiebig.
    Wir gingen zu dritt raus, um zu spielen, doch fiel uns heute nichts Gescheites ein. Einige Zeit später waren wir wieder bei Lina in der Küche versammelt und schauten ihr zu, wie sie einen Brätknödel schöner als den anderen formte und kochte. Im Ofen knisterte das Feuer, und wir bettelten alle drei, wenigstens einen Knödel zu bekommen. Lina gab jedem von uns einen. Er schmeckte herrlich. Die gekochten Knödel reihte sie schön säuberlich auf das Nudelbrett. Dann ging Lina mit dem Brett in die Speisekammer, die direkt neben der Küche lag. Da hatte ich den rettenden Einfall. Die Speisekammer konnte man auch vom Gang aus erreichen. Lina räumte noch die Küche auf und putzte den Boden, als wir uns immer wieder heimlich von der anderen Türe in die Speisekammer schlichen und einen Knödel nach dem anderen verputzten. Sie schmeckten so lecker, dass wir gar nicht genug davon bekommen konnten. Plötzlich ging die Tür auf und Lina ertappte uns drei auf frischer Tat. Sie stieß erschrocken einen Schrei aus, als sie sah, dass nur noch wenige Brätknödel auf dem Nudelbrett lagen. Jetzt fing sie zu jammern an, denn morgen wollte sie in die Kirche gehen und Mittag musste es dann mit Kochen schnell gehen.
    »Mach doch eine Flädlesuppe«, meinte Hubi.
    »Au ja«, riefen Nanne und ich begeistert im Chor. Lina machte Flädle, so dünn, dass man durchschauen konnte. Sie schmeckten uns immer vorzüglich, waren sie mit selber gemachter Marmelade doch unser Leibgericht. Heute konnten wir drei beim besten Willen nichts mehr verdrücken. Unsere Bäuche waren schon mit Brätknödeln bis zum Platzen voll.
    Im Sommer, wenn Lina auf der Alpe Gschwend war, dann durfte ich mit Nanne auch auf die Alpe, wie meine Urgroßmutter Johanna damals. Je älter ich wurde, desto häufiger verbrachte ich dort oben den Großteil meiner Sommerferien. Lina schlief in der Küche, und Nanne und ich teilten uns das große Bett in der Kammer nebenan. Am Morgen, wenn wir aufwachten, gab es nur das Gebimmel der Kuhglocken, Autolärm war hier oben nicht zu hören.
    Wie die Alpe Rangiswang liegt auch die Alpe Gschwend im Gebiet der Hörnergruppe, allerdings in einem anderen Tal. Auch ich habe wie meine Vorfahrinnen beim Käsen auf einem Bänkchen vor der Feuerstelle gesessen und habe mir Geschichten angehört. Wunderschöne Momente waren das, wenn wir oft einen ganzen Vormittag zu zweit oder auch mit Besuchern, die vom Tal zu uns

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