Herrin auf Kimbara
dass Sie bleiben, Rebecca.«
»Sie möchten mich im Auge behalten?« erwiderte sie mit bebender Stimme und hob das Kinn, als er näher kam. »Ich möchte keinen Ärger, Brod.«
»Wovor haben Sie Angst, Rebecca?«
»Dasselbe könnte ich Sie fragen.«
Er streckte die Hand aus und streichelte mit einem Finger ihre Wange. »Ich weiß keine Antwort darauf. Jedenfalls muss ich mehr über Sie erfahren. Sie wissen schon eine Menge über mich, aber Sie reden nie über Ihre Familie, Ihre Freunde, Ihre Liebhaber.«
»Das möchte ich auch nicht.« Sie war unfähig, sich von der Stelle zu rühren.
»Fee hat gesagt, Sie hätten niemanden, zu dem Sie gehen können. Was hat sie damit gemeint?«
Ich sollte jetzt gehen, sagte sich Rebecca. Stattdessen wandte sie sich ihm jedoch noch mehr zu. »Meine Mutter ist gestorben, als ich vierzehn war«, begann sie leise und verspürte selbst nach all den Jahren wieder den Schmerz.
»Sie hatte einen Autounfall, den sie zwar überlebt hat, aber nach einigen Jahren ist sie an den Folgen gestorben.
Mein Vater hat wieder geheiratet. Ich sehe ihn und seine neue Familie, sooft ich kann, aber er lebt in Hongkong. Er war Pilot bei einer Airline. Jetzt ist er im Ruhestand.« Sie befeuchtete sich die plötzlich trockenen Lippen mit der Zunge.
»Tun Sie das nicht«, sagte Brod leise.
»Brod, ich kann hier nicht bleiben. In diesem schönen Haus, in dem so viel Trauer herrscht.«
»Warum, glauben Sie, ist es so? Los, sagen Sie es mir.«
Brod umfasste ihre Handgelenke und zog sie an sich. Er neigte den Kopf und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.
Sie empfand mittlerweile so viel für ihn, dass es ihr Angst machte. Hör nicht auf, dachte sie. Hör niemals auf.
Doch schließlich hörte er auf. Er hob den Kopf und blickte sie wie gebannt an.
»Ich möchte dir nicht wehtun«, sagte er leise und wusste nicht einmal, ob er es selbst glaubte.
»Aber es macht mir Angst.« Da, sie hatte es zugegeben.
»Du bist doch diejenige, die die Macht hat.« Nun klang er feindselig. »Diese letzten Tage waren die Hölle für mich.«
Das war ihr auch klar. »Ich hätte nie gedacht, dass dein Vater…« Sie verstummte, weil sie zu aufgewühlt war.
»Sich in dich verlieben könnte? Und dich würde heiraten wollen?« Brod hielt sie ein wenig von sich, um ihr ins Gesicht sehen zu können.
»Nein.« Rebecca wandte den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass es etwas bringt, darüber zu reden.« Er ließ die Hände sinken und beobachtete, wie sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich. »Bring uns nicht in Verlegenheit, indem du jemanden bittest, dich von hier mitzunehmen, Rebecca«, fügte er hinzu. »Tu Fee nicht weh. Wenn du bereit bist, mir alles über dich zu erzählen, dann bin ich für dich da.«
Wie könnte ich es ihm sagen? dachte sie und sah ihm nach, bis er die Treppe erreichte und, ohne sich noch einmal umzublicken, hinunterging. Zurück zu seiner Familie.
Ich hatte auch mal eine Familie, dachte sie, als sie verzweifelt in ihr Zimmer ging und die Tür hinter sich schloss. Sie waren sogar eine sehr glückliche Familie gewesen, bis ihre Mutter verunglückt war. Sie hatte im Auto einer Freundin gesessen, als ihnen ein anderer Fahrer hineingefahren war. Ihre Freundin war dabei ums Leben gekommen. Ihre Mutter verbrachte den Rest ihres Lebens im Rollstuhl, liebevoll umsorgt von ihr, Rebecca, und ihrem Vater. Einige Jahre nach dem Tod ihrer Mutter heiratete ihr Vater wieder, eine schöne Eurasierin, die er in Hongkong kennen gelernt hatte. Während dieser Zeit flog er die Strecke Sydney-Hongkong, und sie, Rebecca, war im Internat. Dennoch hatten sie engen Kontakt zueinander, und Vivienne, ihre Stiefmutter, schickte ihr jedes Mal ein wunderschönes Geschenk zum Geburtstag. Die Ferien verbrachten sie zusammen an den exotischsten Orten wie Bangkok, Phuket, Bali und zweimal in Marrakesch, bis Vivienne ihr erstes Kind bekam, einen süßen kleinen Jungen namens Jean Philippe. Zwei Jahre später wurde ein kleines Mädchen, Christina, geboren.
An der Universität lernte sie, Rebecca, dann Martyn kennen. Er war einige Jahre älter als sie und an der juristischen Fakultät. Sie studierte Publizistik. Schon bald wurden sie ein Paar. Martyn war überdurchschnittlich intelligent, gut aussehend und das einzige Kind wohlhabender Eltern. Meredith, seine Mutter, entpuppte sich bald als sehr besitzergreifend, akzeptierte sie jedoch.
Sie heirateten, als sie, Rebecca zwanzig, und Martyn vierundzwanzig war. Zuerst waren sie
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