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Herrin der Dunkelheit

Herrin der Dunkelheit

Titel: Herrin der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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einzelnstehenden, dunkelgrünen Bäumen, mehreren sprudelnden Springbrunnen und zwei langen, schmalen Seen aufgelockert wurde. Auf allen vier Seiten des Platzes standen pompöse Amtsgebäude, die meisten von ihnen kantig und gesichtslos, nur der Hauptbau des Rathauses mit seiner patinagrünen Kuppel und das Gebäude der Stadtbücherei waren etwas dekorativer gestaltet, letzteres mit eingelassenen Tafeln, auf denen Namen großer amerikanischer Denker und Schriftsteller eingemeißelt waren, darunter auch der von Poe (eins zu null für uns!). Einen Block weiter nördlich erhob sich das dunkel-strenge und kompromisslos moderne, nur aus Glasfronten bestehende Federal Building wie ein wachsamer großer Bruder.
    Franz fühlte sich siegessicher – und auch ein bisschen vom Glück gesegnet – und beeilte sich. Er hatte heute noch eine Menge vor, und die hochstehende Sonne sagte ihm, dass es schon ziemlich spät war. Nachdem er die Schwingtür passiert hatte, drängte er sich durch ein Gewimmel von verbissen aussehenden jungen Frauen mit Hornbrillen, Kindern, zottigen Hippies und verschrobenen, alten Männern (alles typische Leser), gab zwei Bücher zurück, die er sich ausgeliehen hatte, und fuhr mit dem Lift in den dritten Stock hinauf. In dem stillen, fast eleganten San Francisco-Raum flüsterte ihm eine gepflegt wirkende Frau zu, dass die Adressbücher von San Francisco nur bis 1918 zurückreichten und er sie im Haupt-Katalograum im zweiten Stock finden würde, neben den Telefonzellen.
    Franz fühlte sich ein wenig entmutigt, weil er das Gefühl hatte, wieder auf einen Rundlauf geschickt zu werden, als er die Treppe hinabstieg und den großen Raum mit seiner zwei Stockwerke hohen Decke betrat. Im vergangenen und in den frühen Jahren dieses Jahrhunderts waren Bibliotheken im selben Stil erbaut worden wie Banken und Bahnhöfe: pompös und hochmütig. In einer Ecke, die von hohen Bücherregalen abgeteilt wurde, fand er die Bände, nach denen er suchte. Er griff nach dem Adressbuch mit der Jahreszahl 1926, zog aber dann das von 1927 heraus. Dort musste das Hotel bestimmt verzeichnet sein – falls es dieses Hotel tatsächlich gegeben hatte. Es würde ihn einige Mühe kosten, es zu suchen, wusste er, da er alle Hotel-Adressen überprüfen musste (die vielleicht durch Straßenkreuzungen angegeben sein mochten, und nicht durch Hausnummern), und vielleicht auch die der Apartment-Hotels.
    Bevor er sich mit dem Buch an einen der Tische setzte, blickte er auf seine Armbanduhr. Mein Gott, es war später, als er angenommen hatte. Wenn er sich nicht sehr beeilte, würde er erst auf den Corona Heights sein, wenn das Gebäude zwischen den beiden Hochhäusern bereits im Schatten lag, und dann war es zu spät für das Experiment, das er vorhatte. Und Nachschlagewerke wie diese Adressbücher wurden nicht ausgeliehen.
    Er brauchte nur zwei Sekunden, um zu einem Entschluss zu kommen. Nach einem raschen aber gründlichen Blick durch den Raum, mit dem er sich davon überzeugte, dass ihn in diesem Augenblick niemand beobachtete, steckte er das Adressbuch in seine Aktentasche, ging zur Tür und nahm im Vorbeigehen zwei Taschenbücher aus einem der Drehständer, die an verschiedenen Stellen des Raums standen. Dann schritt er ruhig und gemessen die breite Marmortreppe hinab, deren Dimensionen als Kulisse eines römischen Film-Epos ausgereicht hätten, und hatte das Gefühl, als ob alle Augen auf ihn gerichtet wären, obwohl er wusste, dass er sich das nur einbildete.
    Er trat zum Ausleihtisch, ließ die beiden Taschenbücher registrieren und steckte sie so auffällig, wie es ihm nur möglich war, in seine Aktentasche. Dann verließ er das Gebäude, ohne den Türwächter anzusehen, der niemals Aktentaschen oder andere Behältnisse kontrollierte, wie Franz wusste, wenn er gesehen hatte, dass der Besucher Bücher am Ausleihtisch hatte registrieren lassen.
    Franz tat so etwas nur sehr selten, doch die Versprechen des heutigen Tages schienen solche kleinen Risiken zu rechtfertigen.
    Er erwischte einen 19-Polk, der gerade einfuhr. Als er einstieg, sagte er sich ein wenig selbstgefällig, dass er jetzt erfolgreich zu einem von Sauls Kleptomanen geworden war.
    Hei-ho für ein zwanghaftes Leben!

 
15
     
    Als er wieder in seinem Apartment war, sah er sich flüchtig im Zimmer um (keine Post), und blickte dann zum Fenster, das er wie immer gekippt hatte, um frische Luft hereinzulassen. Dorotea hatte recht. Ein schlanker, durchtrainierter Mensch konnte

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