Herrin der Falken - 3
schüttelte, und einige wenige Worte erreichten ihr Ohr.
»… o nein, Verwandter, ich gebe Euch mein Wort darauf…«
Plötzlich eifersüchtig auf diese Vertrautheit, wünschte Romilly, dem Gespräch zuhören zu können. Ihr Laran war jetzt so nahe der Oberfläche, daß sie auf den Gedanken kam: Vielleicht brauche ich bloß hinauszugreifen!
Sie entsetzte sich über ihren Einfall. War sie nicht in einem Großen Haus erzogen, hatte man sie nicht Höflichkeit gegen Gleiche und Niedrigere gelehrt? Stirnrunzelnd reihte sie sich ein – sie hatte Prudentia auf ihren Sattel genommen, damit Dom Carlo auf seinem Pferd Platz für Caryl hatte – und dachte darüber nach, was sich aus dem Laran ergebendes richtiges Verhalten war. Sie hatte die Macht und vielleicht auch das Recht, den Falken, die sie ausbildete, den Pferden, die sie ritt, und, um ihr Leben zu retten, sogar den wilden Banshees der Klippen ihren Willen aufzuzwingen. Aber wie weit ging diese Macht? Wie weit ging das Recht, sie einzusetzen? Sie durfte ihr Pferd dazu bringen, Sattel und Zaum zu tragen, weil es sie liebte und gern lernte, was es seiner Herrin näherbrachte. Sie hatte Preciosas tiefe Liebe gespürt, als der Falke aus freien Stücken zu ihr zurückkehrte.
Und das war Schmerz. Würde sie Preciosa je wiedersehen? Aber es gab Grenzen für diese Macht. Es mochte richtig sein, Hunden, die sie liebten, Ruhe zu befehlen, damit sie nicht den ganzen Haushalt aufweckten und ihre Flucht verrieten. Da waren auch Probleme und ein schwerer Konflikt. Sie konnte die Beute in den Schnabel ihres Falken zwingen, sie konnte vielleicht das junge und dumme Eiskaninchen in die wartenden Fänge der Hunde zwingen… und das war gegen die Natur, ein entschieden ungerechter Vorteil bei der Jagd! Mit brennenden Augen senkte sie den Kopf, und zum ersten Mal in ihrem Leben betete sie inbrünstig.
Lastenträger! Ich habe diese Macht nicht gesucht. Bitte, bitte, hilf mir, sie zu gebrauchen, nicht für unrechte Zwecke, sondern nur, um eins mit dem Leben zu werden… Verwirrt setzte sie hinzu: So wie ich für kurze Zeit heute morgen war, als ich wußte, ich war eins mit allem, was lebt. Wie du es sein mußt, Heiliger. Hilf mir, mich zu entscheiden, wie ich diese Macht weise einsetze. Und dann flüsterte sie noch: Denn jetzt weiß ich, daß ich ein Teil des Lebens bin… aber ein so kleiner Teil!
5.
Auf dem ganzen langen Weg nach Caer Donn beunruhigte es sie. Wenn sie Fleisch für die Kundschaftervögel jagte, dachte sie an ihr Laran und fürchtete, die Macht zu mißbrauchen, so daß sie das Wild manchmal entkommen ließ und von den Männern deswegen beschimpft wurde. Sie benutzte ihre besonderen Sinne, um tote Tiere in Berg und Wald zu finden, mit denen sie die Vögel atzen konnte. Sie hatten keine Verwendung mehr für ihre Körper. Sicher war es nicht unrecht, ein lebendes Wesen mit einem toten zu füttern. Am liebsten hätte Romilly ihre neue Fähigkeit irgendwo eingeschlossen, damit sie niemals mehr berührt werden konnte. Aber sie brauchte sie im Umgang mit den Vögeln – es konnte doch nicht falsch sein, ihnen ihre Liebe zu zeigen? Oder doch, da sie sie mit dieser Methode ihrer eigenen Bequemlichkeit wegen ruhig hielt?
Mehrmals versuchte sie, mit den Vögeln zu arbeiten, ohne von der MacAran-Gabe, die sie jetzt als Laran kannte, Gebrauch zu machen. Dann schrien und rebellierten sie, und Dom Carlo fragte: »Was ist in dich gefahren, Junge? Tu die Arbeit, für die du bezahlt wirst, und bring diese Vögel zum Schweigen!« Also wendete sie ihr Laran an und litt von neuem unter Zweifeln, ob sie recht oder unrecht tue.
Gern hätte sie mit Dom Carlo darüber gesprochen. Er hatte Laran, und vielleicht hatte er sich mit den gleichen Problemen herumgeschlagen, als er in ihrem Alter war und es zu benutzen lernte. War es das, was Ruyven hatte bezwingen müssen? Kein Wunder, daß er von einer Pferderanch geflohen war und Zuflucht hinter den Mauern eines Turms gesucht hatte! Manchmal beneidete sie Darren, auf den nichts von der MacAranGabe gekommen war. Wenn er Falken und Pferde auch fürchtete und haßte, geriet er doch wenigstens nicht in Versuchung, an ihrem Geist herumzupfuschen, um seine Macht über sie zu beweisen! Mit Caryl konnte sie nicht reden. Er war noch ein Kind und gebrauchte seine Macht mit Vergnügen, wie sie es getan hatte, als sie ihre glückliche Hand für das Ausbilden von Pferden entdeckte. Und immer, wenn sie versuchte, frisch getötetes Wild zu essen, hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher