Herrin der Falken - 3
zu lehren, aber auch das war völlig hoffnungslos. Es waren so viele Frauen da – vielmehr kam es Romilly so vor. Am Eßtisch stellte sie fest, daß im Haus nur neunzehn lebten. Aber ihre Namen konnte sie sich trotzdem nicht merken. Man erlaubte ihr, sich mit den Pferden anzufreunden, deren Namen sich leichter behalten ließen. Ihr eigenes Pferd war inzwischen in den Stall gebracht worden, und sie sah auch ein paar Chervines. Dann durchstach Janni ihr die Ohren und legte ihr kleine goldene Ringe an. »Nur, bis die Löcher verheilt sind«, sagte sie. »Später bekommst du das Abzeichen der Schwesternschaft. Du mußt die Ringe ständig drehen, damit die Wunden sauber verheilen, und sie dreimal täglich mit heißem Wasser und Dornblatt baden.« Vor sämtlichen Frauen, die für Romillys müde Augen nur eine verwischte Reihe von Gesichtern waren, nahm Janni ihr den Eid der Schwesternschaft ab. Nun war es geschehen. Bis zum Frühlingstauwetter des nächsten Jahres gehörte Romilly der Schwesternschaft vom Schwert an. Man drängte sich um sie und stellte ihr Fragen. Romilly wußte nicht recht, was sie antworten sollte, da ihr Janni doch verboten hatte, von ihrer Vergangenheit zu reden. Schließlich suchte man für sie ein oft geflicktes, sehr abgetragenes Nachthemd heraus und schickte sie zum Schlafen in einen langen Saal mit sechs Betten in einer Reihe, besetzt von Mädchen ihres Alters und jüngeren. Sie meinte, gerade erst eingeschlafen zu sein, als sie vom Klang einer Glocke geweckt wurde. Inmitten eines halben Dutzends junger Frauen, die alle halb angezogen herumrannten und sich um die Waschbecken stritten, wusch sie sich das Gesicht und zog sich an.
In den ersten paar Tagen schien es Romilly, als keuche sie immerzu hinter einer Gruppe von Mädchen her, die ihr ein Stück voraus waren und die sie einholen mußte. Der Unterricht im waffenlosen Kampf ängstigte und verwirrte sie. Die Lehrerin war so barsch und hatte eine so zornige Stimme. Aber eines Nachmittags half Romilly in der Küche, wo sie sich mehr zu Hause fühlte, und die Frau – Merinna hieß sie – kam herein und bat um Tee, den Romilly ihr brachte. Merinna plauderte so freundschaftlich mit ihr, daß ihr der Gedanke kam, diese Barschheit beim Unterricht habe nur den Zweck, die Aufmerksamkeit der Schülerinnen voll auf die Übungen zu konzentrieren. Der Schwertkampf fiel Romilly leichter, denn sie hatte manchmal bei Ruyvens Fechtstunden zusehen dürfen, und auch mit ihm geübt. Als sie acht oder neun gewesen war, hatte es ihren Vater amüsiert, wie gut sie mit dem Schwert umgehen konnte. Später jedoch verbot er ihr sogar das Zusehen, und sie durfte ein Spielzeugschwert nicht einmal anfassen. Allmählich kehrte die Erinnerung an diese frühen Unterrichtsstunden zurück, und sie begann, sich zumindest mit dem Holzstab, den sie bei den Übungen benutzte, sicher zu fühlen.
Bei den Pferden im Stall war es wie zu Hause. Diese Arbeit hatte sie getan, seit sie groß genug war, um einen Sattel mit Seifenkraut einzureiben und mit Öl zu polieren.
Sie war eines Tages eifrig beim Polieren des Sattelzeugs, als sie draußen auf der Straße Lärm hörte. Eines der jüngsten Mädchen im Haus stürzte in den Stall und rief sie.
»Oh, Romy, komm – die Armee des Königs zieht vorbei, und Merinna hat uns erlaubt, hinzulaufen und uns das anzusehen! Carolin wird südwärts marschieren, sobald die Pässe offen sind.«
Romilly ließ den öligen Lappen fallen und rannte mit Lillia und Marga auf die Straße hinaus, wo sie sich in einen Torwinkel drückten. Die Straße war voll von Pferden und Männern, und zu beiden Seiten standen Leute und brachten Hochrufe auf Carolin aus.
»Seht, seht, da reitet er unter dem Tannenbanner in Blau und Silber – Carolin, der König!« rief jemand. Romilly verrenkte sich den Hals. Aber sie erhaschte nur einen Blick auf einen hochgewachsenen Mann mit einem scharfen, asketischen Profil, Carlo nicht unähnlich. Dann wurde sein Mantel vom Wind hochgewirbelt, und sie sah nichts weiter als sein flatterndes rötliches Haar.
»Wer ist der große, hagere Mann, der hinter ihm reitet?« fragte ein Mädchen. Romilly, die ihn noch im Dunkeln mit abgewendetem Gesicht erkannt hätte, antwortete: »Sein Name ist Orain, und ich habe gehört, er ist einer von Carolins Pflegebrüdern.«
»Ich kenne ihn«, berichtete eines der Mädchen. »Er kam Jandria besuchen, und irgendwer behauptete, er sei mit ihr verwandt. Ich weiß nicht, ob ich das glauben soll.«
Romilly
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