Herrin der Falken - 3
Rauhreif überzogene Gras zu ihren Füßen zu senken.
»Welche Art von Beize wird auf diesen Ebenen betrieben, weißt du das?«
»Mein Vater und seine Freunde halten Verrin-Falken«, antwortete Caryl. »Weißt du etwas über sie? Gibt es sie jenseits des Flusses oder nur diese großen, häßlichen Kundschaftervögel?«
»Ich fliege einen Verrin-Falken«, erklärte Romilly. »Einmal habe ich einen abgetragen…«, und sie hielt wieder nervös Umschau. Ihre Haut prickelte.
»Wirklich? Du, ein Mädchen?«
Die unschuldige Frage riß eine alte Wunde auf. Sie fuhr ihn an: »Warum nicht? Du redest wie mein Vater, als hätte ich, weil ich geboren bin, Röcke um die Knie zu tragen, weder Mut noch Verstand!«
»Ich wollte dich nicht beleidigen, Romy«, sagte Caryl mit einer Sanftmut, die ihn viel älter erscheinen ließ, als er war. »Es ist nur so, daß ich außer meiner eigenen Schwester nicht viele Mädchen kenne, und sie würde sich fürchten, einen Falken zu berühren. Doch wenn du mit einem Kundschaftervogel umgehen und ein Banshee beruhigen kannst, wie wir es gemeinsam gemacht haben, fällt es dir bestimmt nicht schwer, einen Falken zu trainieren.« Er wandte ihr das Gesicht zu und legte den Kopf zur Seite. Mit seinen glänzenden, fragenden Augen sah er selbst ein bißchen wie ein Vogel aus. »Wovor hast du Angst, Romy?«
»Es ist keine Angst.« Vor seinem Blick gab es keine Ausflüchte. »Es ist, als beobachte mich jemand«, platzte Romilly heraus. Sie merkte, wie töricht ihre Worte klangen, und setzte abschwächend hinzu: »Vielleicht liegt es nur daran, daß das Land so flach ist und ich mir so schutzlos vorkomme…« Und wieder richtete sie ihre von der Sonne geblendeten Augen zum Himmel, wo an der Grenze zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit immer noch das Pünktchen schwebte. Ich werde beobachtet!
»Das ist nichts Ungewöhnliches«, sagte Janni und schloß zu ihnen auf. »Als ich das erste Mal in die Berge ritt, fühlte ich mich von ihnen eingeschlossen. Mir war, als könnten sie, wenn ich schlief, näherrücken und meine Röcke zerknautschen. Heute bin ich daran gewöhnt, aber wenn ich in die Ebene hinunterkomme, ist mir immer noch so, als werde ein großes Gewicht von meiner Brust genommen und lasse mich leichter atmen. Ich glaube, das unterscheidet den Bergbewohner mehr als alle Könige oder Sitten vom Tiefländer. Auch von Orain habe ich es gehört, daß er sich, immer wenn er seine Berge verließ, unter dem offenen Himmel nackt fühlte und Angst empfand.“
Romilly konnte ihn fast hören, wie er es mit seiner weichen, etwas spöttischen Stimme sagte. Orain und seine ungezwungene Kameradschaftlichkeit fehlten ihr immer noch. Unter all diesen Frauen war sie wie ein Fisch auf einem Baum! Schon ihre Stimmen gingen ihr auf die Nerven, und manchmal meinte sie, trotz ihrer Tüchtigkeit als Schwertkämpferinnen und Reiterinnen glichen sie viel zu sehr ihrer Schwester Mallina mit ihrer Beschränktheit. Nur Janni schien von der kleinlichen Art frei zu sein, die sie an Frauen immer gestört hatte. Lag das nur daran, daß Janni wie Orain und deshalb keine richtige Frau war? Sie wußte es nicht, und das Herz tat ihr zu weh, als daß sie viel darüber hätte nachdenken mögen.
Und vor vierzig Tagen, dachte sie, ärgerlich auf sich selbst, habe ich gemeint, die Gesellschaft von Männern gefalle mir noch weniger als die von Frauen. Bin ich nirgendwo zufrieden? Warum kann ich mich nicht mit dem begnügen, was ich habe? Wenn ich an allem etwas auszusetzen finde, könnte ich ebensogut zu Hause geblieben sein. Dann hätte ich Dom Garris geheiratet und wäre in vertrauter Umgebung in allem Komfort unzufrieden gewesen!
Sie spürte die behutsame, fragende Berührung von Caryls Laran in ihrem Geist, als erkundige er sich, was los sei. Sie seufzte, lächelte ihm zu und schlug vor: »Sollen wir ein Wettrennen über diese Wiese machen? Unsere Pferde sind gleichgut, also geht es nur darum, wer der bessere Reiter ist.« Schon galoppierten sie los, und Romilly mußte aufpassen, daß sie nicht aus dem Sattel geschleudert wurde. Alle trüben Gedanken wurden fortgeblasen. Eine volle Länge vor Caryl erreichte sie das Ziel. Aber Janni, die langsamer hinterherkam, schalt sie alle beide – sie kannten das Terrain nicht, ihre Pferde hätten über einen im Gras unsichtbaren Stein stolpern oder in das Loch eines kleinen Tiers treten können!
Am Abend, als sie das Lager aufschlugen – die Tage wurden jetzt merklich länger, und es war nach
Weitere Kostenlose Bücher