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Herrin der Falken - 3

Herrin der Falken - 3

Titel: Herrin der Falken - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Kampf und Plünderungen hatte dieses Kind gesehen, fern von den schützenden Bergen, wo die Menschen sicher in ihren festen Burgen lebten? Sie hatte in ihrer friedlichen Heimat Geschichten über den Krieg gehört und erinnerte sich an die Schlachten, von denen dieses grüne und fruchtbare Land verwüstet worden war. Noch jetzt schien es für ihr überempfindliches Wahrnehmungsvermögen unter der roten Sonne mit schwarzem Blut befleckt zu sein, der Boden selbst schrie vor Schmerz über das Niedermetzeln der Unschuldigen und die von den Armeen niedergetretenen Saaten. Sie erschauerte, und dann verblaßte das Bild. Romilly erkannte, daß sie die Erinnerungen des Kindes geteilt hatte.
    Sein Vater hat wohlgetan, daß er ihn in die Sicherheit der fernen Stadt des Schnees schickte. Eine Zeit der Ruhe sollte die Wunden eines Kindes mit Laran heilen, in dessen Seele sich das ganze Entsetzen des Krieges eingebrannt hatte. Mit heftigem Heimweh war Romilly dankbar für ihre friedliche Kindheit und die hartnäckige Neutralität des MacAran, der für keine der Parteien, die das Land mit ihrer Eroberungslust verheerten, Partei ergriff. Wie lautete sein Losungswort? In die tiefste Schmiede ihres Gottes Zandru mit ihnen beiden… Oh, Vater, werde ich dich jemals wiedersehen?
    Caryl ritt schweigend neben ihr, eingehüllt in seine eigene Pein, unfähig, ihre zu erkennen, oder zumindest blind von der Anstrengung, sich davor abzuschirmen. Ist es soweit mit mir gekommen, daß ich Trost bei einem zwölfjährigen Kind suche, nicht viel älter als mein kleiner Bruder, weil ich das Schicksal nicht zu ertragen vermag, das ich mir selbst gewählt habe? Sie befand sich unter Fremden, und ihr schoß die Frage durch den Kopf, ob jede dieser Frauen ihren Teil an der Bürde trug, die der Menschheit auferlegt ist. Rufen die Menschen deswegen den Lastenträger an, als sei er nicht bloß ein großer Lehrer der Weisheit, sondern ebenfalls ein Gott – damit wir Götter haben, die unsere Lasten tragen, weil sie uns sonst zu schwer sind? Sie ertrug den Kummer in Caryls Gesichtchen nicht. Sie selbst war eine erwachsene Frau und konnte ihre Bürde tragen, aber er war noch ein Kind und sollte es nicht müssen. Behutsam fragte sie: »Soll ich Preciosa vom Himmel rufen, damit sie mit dir reitet? Ich glaube, sie ist einsam.« Und als sie dem Falken pfiff und ihn auf Caryls Sattel setzte, wurde sie dadurch belohnt, daß der unkindliche Ausdruck aus seinem Gesicht verschwand und er wieder zum Jungen wurde, der voll Freude beobachtete, wie ein Falke auf seine Hand flog.
    »Wenn dieser Krieg vorbei ist, Romy, und wieder Frieden im Land herrscht, wirst du dann mein Falkenmeister werden und mich alles über die Ausbildung von Falken lehren? Aber nein, ein Mädchen kann kein Falkenmeister sein, nicht wahr? Also, wirst du eines Tages meine Falkenmeisterin werden?«
    Sie antwortete freundlich: »Ich weiß nicht, wo jeder von uns sein wird, wenn dieser Krieg vorüber ist, Caryl. Es wäre mir ein Vergnügen, dich alles zu lehren, was ich über Falken weiß. Doch vergiß nicht, vieles, was ich weiß, kann nicht gelehrt werden. Du mußt es irgendwie in dir selbst finden, in deinem Herzen und deinem Laran.« Flüchtig kam ihr zu Bewußtsein, daß sie sich mit diesem fremden Wort jetzt ganz vertraut fühlte. »Dann erkennst du, was die Vögel brauchen, und wirst sie lieben.«
    Sie konnte sich gut vorstellen, daß dieser kleine, weise Junge mit seiner Sensibilität gegenüber Menschen und Tieren, mit dem Ernst der Mönche, von denen er erzogen worden war, und dem Charme der Hastur-Sippe eines Tages König sein würde. Einen Augenblick lang sah sie eine Krone über seinen rötlichen Locken schimmern – und dann schloß sie die unerwünschte Vision aus. Daß sie sie auszuschließen vermochte, so überlegte sie, bewies, wie schnell sie ihre Gabe handhaben lernte.
    Hatte ihr Vater so zu überleben gelernt, außerhalb eines Turms, indem er all das Laran verbannte, für das er beim Trainieren seiner Pferde keine Verwendung hatte? Und könnte sie es aushalten, sich von diesem neuen Teil ihres Ichs abzulösen? War es schwerer, dieses Laran zu besitzen oder es wieder aufgeben zu müssen? Es war eine schreckliche Gabe, die einen Menschen schwer belastete. Jetzt verstand sie die alten Geschichten der Berge, in denen Menschen wahnsinnig geworden waren, als ihr Laran über sie kam.
    Und wie konnte Caryl König werden? Sein Vater war kein König, sondern der geschworene Gefolgsmann Dom

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