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Herrin der Falken - 3

Herrin der Falken - 3

Titel: Herrin der Falken - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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ausgesetzt, der mich begleitet.«
    Ich will keine Belohnung, dachte Romilly, ich will nur mit heiler Haut davonkommen. Trotzdem vermochte sie sich wie die meisten jungen Leute nicht vorzustellen, daß sie innerhalb der nächsten Stunde sterben könnte.
    Vor dem großen Tor begrüßte ein Wachposten Caryl überrascht und erfreut.
»Dom Caryl… Ich hatte gehört, Ihr würdet heute zurückkehren! Also habt Ihr den Krieg und das alles gesehen? Gut, Euch wieder zu Hause zu haben, junger Mann!«
»Oh, Harryn, ich freue mich, dich zu sehen.« Caryl zeigte sein bereitwilliges Lächeln. »Und das ist meine Freundin Romilly. Sie hat mich zurückgebracht.«
Die Augen des Mannes musterten sie von oben bis unten, von der Feder an der Strickmütze bis zu den Stiefeln an den behosten Beinen. Er sagte jedoch nur: »Euer Vater wartet auf Euch, junger Herr. Ich werde Euch sofort zu ihm führen lassen.“
Romilly meinte, einen Fluchtweg offen zu sehen. »Dann lasse ich dich in der Obhut des Leibgardisten deines Vaters…“
»O nein, Romilly!« rief Caryl. »Du mußt mit hereinkommen und Vater kennenlernen, er wird sich darauf freuen, dich zu belohnen.«
Das kann ich mir vorstellen, dachte Romilly. Doch Janni hatte recht. Lyondri Hastur hatte keinen echten Grund, sein Wort zu brechen, um eine namenlose und unbekannte Schwertfrau gefangenzusetzen, gegen die er keinen persönlichen Groll hegte. So stieg sie ab, ließ es geschehen, daß ihr Pferd weggeführt wurde, und folgte Caryl in das Große Haus.
Drinnen tauchte ein Funktionär auf – er war so elegant gekleidet, so gewandt, daß man ihn nach Romillys Meinung unmöglich einen Diener nennen konnte – und teilte Caryl mit weicher Stimme mit, sein Vater erwarte ihn im Musikzimmer. Caryl schoß durch einen Eingang davon und überließ es Romilly, ihm gemächlich zu folgen.
Das also ist der Hastur-Lord, die grausame Bestie, von der Orain gesprochen hat. Ich darf so etwas nicht denken. Er muß wie Caryl Laran haben und könnte meine Gedanken lesen. Ein hochgewachsener, schlanker Mann erhob sich aus den Tiefen eines Armsessels. Er legte eine kleine Harfe, die er auf den Knien gehalten hatte, nieder und ergriff beide Hände Caryls.
»Nun, Carolin, du bist wieder da?« Er zog den Jungen an sich und küßte ihn auf die Wange. Dazu mußte er sich sehr tief niederbeugen. »Geht es dir gut, mein Sohn? Gesund siehst du ja aus; wenigstens hat die Schwesternschaft dich nicht hungern lassen.«
»O nein«, antwortete Caryl. »Sie haben mir gut zu essen gegeben und waren freundlich zu mir. Als wir durch eine Stadt kamen, hat mir eine von ihnen sogar Kuchen und Süßigkeiten gekauft, und eine lieh mir ihren Falken, damit ich, wenn ich wollte, frische Vögel für mein Abendessen fangen konnte. Das ist die mit dem Falken«, setzte er hinzu, ließ die Hände seines Vaters los und zog Romilly nach vorn. »Sie ist meine Freundin. Ihr Name ist Romilly.«
Und so stand Romilly endlich dem Hastur-Lord von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er machte den Eindruck, als verliere er niemals für eine Sekunde die Herrschaft über seine Miene. Sein Kinn wirkte entschlossen; seine Augen, grau unter hellen Wimpern, schienen verkappt wie die eines Falken zu sein. »Ich bin Euch dankbar dafür, daß Ihr gut zu meinem Sohn gewesen seid«, sagte Lyondri Hastur. Seine Stimme klang ruhig, neutral, gleichmütig. »Ich glaubte ihn in Nevarsin außer Reichweite des Krieges, aber zweifellos haben Carolins Männer es für eine gute Idee gehalten, ihn als Geisel zu nehmen.“
»Es war nicht Romillys Idee, Vater«, fiel Caryl ein. Romilly erkannte, daß er den Gedanken, ob er seinem Vater erzählen solle, wie böse Orain darüber gewesen war, verworfen hatte. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, Orains Namen überhaupt zu erwähnen. Und als sich das Kinn des Hastur-Lords fast unmerklich vorschob, wußte sie, er hatte genau gehört, was sein Sohn nicht ausgesprochen hatte, und seine Stimme schien ganz weit entfernt und geisterhaft in Romillys Kopf zu sagen: Noch eine Kerbe gegen Orain, der mein geschworener Mann war, bevor er der Carolins wurde.
Ich sollte diese Frau als Geisel nehmen. Sie mag wissen, wo Orain steckt, und wo Orain ist, kann Carolin nicht weit sein. Aber diese Überlegungen empfing wieder der Junge, und er sah entsetzt zu seinem Vater auf. »Du hast dein Wort gegeben, das Wort eines Hastur«, flüsterte er. Romilly konnte beinahe sehen, wie das leuchtende Bild seines Vaters vor seinen Augen zersprang und fiel.

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