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Herrin der Falken - 3

Herrin der Falken - 3

Titel: Herrin der Falken - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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darum
kämpfen, auch nur soviel an Bildung zu bekommen! Euer
Vater ist ein vernünftiger Mann, der weiß, daß seinen Töchtern Kenntnisse ebenso nützlich sind wie seinen Söhnen. Deshalb wirst du hier sitzen, bist du eine Seite ohne einen einzigen
Klecks geschrieben hast. Romilly, laß mich deine Arbeit sehen.
Ja, das ist sehr sauber. Willst du deinen Bruder aus seinem Buch
lesen lassen, während ich deine Additionen nachrechne?«
Romilly stand flink auf und setzte sich zu Rael. Alles war besser,
als bewegungslos an ihrem Schreibtisch zu hocken! Calinda
beugte sich über Mallina und führte ihre Hand, und Rael lehnte
sich an Romillys Schulter. Sie drückte das Kind verstohlen an
sich. Dann zeigte sie pflichtbewußt mit dem Finger auf die erste
Zeile der handgeschriebenen Fibel. Sie war sehr alt; Romilly
hatte aus demselben Buch lesen gelernt und, wie sie annahm,
auch Ruyven und Darren vor ihr. Denn ihre eigene Großmutter
hatte die Fibel für ihren Vater geschrieben und geheftet. Auf
dem ersten Blatt stand in krakeligen Lettern Mikhail MacAran,
sein eigenes Buch. Die Tinte begann, ein bißchen zu verblassen,
aber es war noch vollkommen lesbar.
»Das Pferd ist im Stall«, buchstabierte Rael langsam. »Das
Huhn ist auf dem Nest. Der Vogel ist in der Luft. Der Baum ist
im Wald. Das Boot ist auf dem Wasser. Die Nuß ist auf dem
Baum. Der Junge ist in der –« Er betrachtete das Wort finster
und riet: »Scheune?«
Romilly lachte leise. »Bestimmt wünscht er sich, dort zu sein,
genau wie du«, flüsterte sie. »Aber das ist nicht richtig, Rael.
Sieh hin, was ist der erste Buchstabe? Sprich ihn aus.«
»Der Junge ist in der Küche«, las Rael verdrießlich. »Das Brot
ist – im Topf?«
»Rael, du rätst schon wieder«, sagte Romilly. »Sieh dir die
Buchstaben an. Du kannst es doch.«
»Das Brot ist im Ofen.«
»Das ist richtig. Jetzt versuch es mit der nächsten Seite.«
»Die Köchin bäckt das Brot. Der Bauer –« er zögerte, bewegte
die Lippen, betrachtete finster die Seite. »Sammelt?«
»Das ist richtig, mach weiter.«
»Der Bauer sammelt die Nüsse. Der Soldat reitet das Pferd. Der
Knecht legt den Sattel auf das Pferd. Romy, wann darf ich
etwas lesen, das Sinn hat?«
Wieder mußte Romilly lachen. »Wenn du deine Buchstaben
ein bißchen besser kennst«, antwortete sie. »Zeig mir dein Schreibheft. Ja, die Buchstaben hast du geschrieben, aber sieh mal, sie wackeln über die Linie wie Enten, wo sie doch ordentlich marschieren sollten wie Soldaten – siehst du, wo Calinda für dich die Linie mit dem Lineal gezogen hat?« Sie legte die Fibel beiseite. »Aber ich will Calinda sagen, daß du deine
Aufgabe kannst, soll ich?«
»Dann können wir vielleicht zu den Ställen gehen«, wisperte
Rael. »Romy, hat Vater dich dafür geschlagen, daß du den
Falken gezähmt hast? Ich hörte Mutter sagen, er sollte.«
Daran zweifele ich nicht im geringsten, dachte Romilly. Doch
Lady Luciella war Raels Mutter, und sie wollte zu dem Kind
nicht schlecht über sie sprechen. Und Luciella war niemals
wirklich unfreundlich zu ihr gewesen. Sie antwortete: »Nein,
ich bin nicht geschlagen worden. Vater sagte, ich hätte es gut
gemacht – andernfalls hätte er den Falken verloren, und
Verrin-Falken sind teuer und selten. Dieser war nahe daran,
auf dem Block zu verhungern.«
»Wie hast du es gemacht? Kann ich eines Tages auch einen
Falken zähmen? Ich hätte Angst, sie sind so wild –«
Seine Stimme war lauter geworden. Calinda hob den Kopf und
sah sie stirnrunzelnd an. »Rael, Romilly, beschäftigt ihr euch
mit der Aufgabe?«
»Nein, mestra«, antwortete Romilly höflich. »Er ist fertig. Er
hat zwei Seiten der Fibel mit nur einem Fehler gelesen. Dürfen
wir jetzt gehen?«
»Ihr wißt, ihr sollt beim Arbeiten nicht flüstern und schwatzen«, sagte die Erzieherin, aber auch sie sah müde aus. »Rael,
bring mir dein Heft. Oh, das hast du gar nicht gut gemacht!«
Sie schüttelte den Kopf. »Die Buchstaben laufen ja über die
ganze Seite weg! Ein großer Junge wie du sollte besser schreiben. Setz dich und nimm deine Feder.«
»Ich will aber nicht«, erklärte Rael. »Mir tut der Kopf weh.« »Wenn dir der Kopf weh tut, werde ich deiner Mutter sagen,
daß es dir nicht gut genug geht, um nach dem Unterricht zu
reiten.« Calinda verbarg das Lächeln, das ihre Lippen umspielte. Rael setzte sich verdrießlich, krümmte die Faust um die
Feder und begann, eine weitere Reihe von beschwipsten Druckbuchstaben zu malen. Seine Zunge lugte ein

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