Herrin der Falken - 3
es darauf an, welcher große Schurke auf dem Thron sitzt…
Langsam fand sie sich ein bißchen zurecht. Wie nach der vorigen Schlacht kreisten über dem Feld die dunklen Gestalten der Kyorebni. Einer setzte sich mit einem harten Schrei auf Sonnensterns Kopf. Romilly rannte hin, schwang die Arme und rief laut. Der Vogel flog davon, aber er würde wiederkommen.
Sonnenstern ist tot. Und ich habe ihn mit meinen eigenen Händen für diesen Krieg ausgebildet, habe ihn dem einen überantwortet, der ihn in dies Gemetzel reiten würde. Und das edle Pferd zauderte nicht, es trug Carolin an diesen Ort und fand dabei den Tod. Es wäre besser gewesen, wenn ich ihn selbst getötet hätte, als er fröhlich über unsere grüne Koppel hinter dem Haus der Schwesternschaft lief. Dann hätte er niemals Feuer und Furcht und ein Schwert in seinem Herzen kennengelernt.
Dunkelheit senkte sich nieder, aber weit weg am Rand des Schlachtfeldes hüpfte ein Licht. Eine kleine Laterne wanderte umher. Leichenfledderer? Trauernde, die zwischen den Gefallenen suchten? Nein. Intuitiv erkannte Romilly, wer es war. Die Frauen der Schwesternschaft hielten Ausschau nach ihren gefallenen Kameradinnen, die nicht in ein gemeinsames Grab mit Carolins Soldaten gelegt werden durften. Als ob es die Toten kümmert, wo sie liegen…
Bald würden sie hier sein, würden sie für tot halten – als sie bei Sonnensterns Tod vom Pferd gefallen war, hatte man sie zweifellos als tot liegenlassen. Jetzt würden sie kommen, um sie zu begraben, sie am Leben finden und sich freuen…
Und dann wurde Romilly von großem Zorn überwältigt. Sie würden sie mitnehmen, Anspruch auf sie als eine von ihnen, als eine Kriegerin erheben. Sie war der Gesellschaft von Männern entflohen, sie war der Schwesternschaft beigetreten, und was hatten die Schwestern getan? Sie hatten sie dazu angestellt, Pferde auszubilden, nicht um der Pferde selbst willen oder damit sie lernten, dem Menschen zu dienen, sondern damit sie abgeschlachtet wurden, sinnlos abgeschlachtet in diesem Krieg, den die Menschen nicht fähig waren, unter sich selbst auszutragen, in den sie unschuldige Vögel und Pferde hineinziehen mußten.
Und dazu soll ich zurückkehren? Nein, nein, niemals!
Mit zitternden Händen riß sie sich den Ohrring der Schwesternschaft ab. Der Draht verfing sich und verletzte ihr Ohr, aber sie spürte den Schmerz nicht. Romilly warf den Ring zu Boden. Ein Opfer für Sonnenstern, eine Opfergabe für die Toten! Sie konnte kaum stehen. Sie hielt Umschau und sah, daß hier und da reiterlose Pferde auf dem Schlachtfeld umherwanderten. Nur eine ganz leichte Berührung mit ihrem Laran war notwendig, und eines davon kam zu ihr, den Kopf unterwürfig gesenkt. Es war jetzt zu dunkel, um zu erkennen, ob es eine Stute oder ein Wallach, ein Grauer oder Rappe oder Rotschimmel war. Romilly kletterte in den Sattel, hing über dem Sattelknopf, ließ das Pferd laufen, wie es wollte… Wohin? Gleichgültig. Nur fort von diesem Ort des Todes, fort, Freund. Ich will nicht länger dienen, weder als Soldat noch als Schwertfrau noch als Leronis. Von jetzt an diene ich keinem Mann und keiner Frau mehr. Blindlings, die Augen gegen die strömenden heißen Tränen geschlossen, ritt Romilly allein vom Schlachtfeld und in den Regen der hinein. Die ganze Nacht ritt sie, ließ das Pferd seinen eigenen Weg suchen und wußte nicht, wohin sie ritt und welche Richtung sie nahmen. Die Sonne ging auf, und Romilly saß immer noch wie leblos auf dem Rücken des Tieres, schwankte manchmal, fing sich aber immer noch rechtzeitig, um nicht zu fallen. Alles war ihr gleichgültig geworden. Sonnenstern war tot. Carolin und Orain waren fortgegangen, sie wußte nicht, wohin, und es kam auch nicht darauf an. Orain wollte nichts von ihr… sie war eine Frau. Carolin lag wie der Schwesternschaft nur daran, ihr Laran zu verwenden, um weitere unschuldige Tiere in den Tod zu schicken. Ruyven… Ruyven hatte wenig Interesse für sie, er war wie ein Mönch aus dem verfluchten Turm, wo man Teufeleien wie die Herstellung von Haftfeuer lernte…
Kein Mensch soll mir je wieder etwas bedeuten. Sie ritt den ganzen Tag durch ein verwüstetes und verlassenes Land, über das der Krieg hinweggetobt war. Am Rand des Waldes glitt sie vom Pferd und ließ es frei. »Geh, mein Bruder«, flüsterte sie, »und diene keinem Menschen, denn sie werden dich nur in den Tod schicken. Lebe frei in der Wildnis und gehe deinen eigenen Weg.«
Das Pferd blickte auf sie
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