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Herrin der Lüge

Herrin der Lüge

Titel: Herrin der Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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die Entscheidung.
    Nachdem es vorbei war, zählte niemand die Toten auf Seiten der Piraten. Keiner machte sich die Mühe, ihre Leichen zu sammeln und zu verbrennen. Sie blieben liegen, wo sie gefallen waren. Die brütende Sonne der Ägäis würde sich ihrer annehmen, außerdem die wenigen wilden Tiere, die auf dem Eiland noch am Leben waren.
    Die toten Kriegerinnen und Seeleute aber wurden auf das Tempelplateau geschafft. Mehr als tausend waren während der Kämpfe gefallen, und sie wurden zu mehreren Scheiterhaufen aufgeschichtet, weil es unmöglich war, jedem Einzelnen ein christliches Begräbnis zukommen zu lassen. Pater Luca und seine Priester sprachen die Worte, die ihnen nötig erschienen, während Saga mit gesenktem Haupt neben Karmesin und Violante stand und daraufwartete, dass Feuer an die Hügel aus toten Körpern gelegt wurde. Berengaria hatte man ganz oben auf einen der Scheiterhaufen gelegt, die Hände auf der Brust verschränkt, die beiden Lanzen, mit denen sie Qwara getötet hatte, über ihr gekreuzt.
    Jorinde saß zitternd nahebei auf einem Mauerrest, hielt sich die Wölbung ihres Bauches und sprach erst wieder, als sich die Flotte am nächsten Morgen an die Vorbereitungen zur Rückkehr nach Venedig machte.
    Nur ein einziges Schiff würde weiter nach Osten segeln. Kapitän Angelotti war während der Kämpfe schwer verletzt worden, als er sich dem Sturm auf den Zwillingsgipfel angeschlossen hatte; er würde nicht sterben, aber für eine Weiterfahrt ins Heilige Land war er zu schwach. Er übertrug das Kommando der Santa Magdalena einem jener Kapitäne, die ihn und die anderen gleich am ersten Tag auf den Berg begleitet hatten. Der junge Seemann gelobte, die Gruppe jener, die noch immer an einer Reise gen Osten festhielten, wohlbehalten an die Küste der Kreuzfahrerstaaten zu bringen.
    Violante war die Erste gewesen, die darauf beharrt hatte, nicht mit dem Gros der Kreuzfahrerinnen nach Venedig zu segeln. Im engsten Kreis gestand sie Saga, Karmesin und Jorinde, dass sie lieber sterben wollte, als die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Gahmuret aufzugeben. Und sie erzählte ihnen eine aberwitzige Geschichte über ein geheimes Abkommen, das auf Burg Lerch zwischen einem Gesandten des Papstes, dem Dogen von Venedig, König Philipp, Graf Bonifaz von Montferrat und ihrem Mann geschlossen worden war. Er habe ihr nie erzählt, um was es dabei wirklich gegangen sei, und das sagte sie mit solch verbitterter Überzeugung, dass Saga ihr beinahe glaubte. Gahmuret habe bald darauf das Kreuz genommen und sei zur Befreiung der Heiligen Stätten aufgebrochen. Was danach geschehen sei … nun, sie jedenfalls wolle herausfinden, ob das, was der Johanniter ihr und Saga über Gahmurets Wahnsinn erzählt hatte, der Wahrheit entsprach.
    Jorinde brach ihr Schweigen und verkündete mit neu erwachter Kraft, dass sie gleichfalls die Reise fortsetzen werde. Sie werde niemals nach Hoch Rialt zurückkehren. Dann schwieg sie wieder, auch als man sie fragte, ob ihre Entscheidung wohlüberlegt sei. Zuletzt aber ließen die anderen sie in Frieden und akzeptierten ihren Entschluss.
    Am Abend zuvor war Saga im Schein der Scheiterhaufen vor die versammelten Mädchen, Söldnerinnen und Seeleute getreten und hatte erklärt, dass sie die Führung der Flotte ein für alle Mal abgebe. Sie habe aufgehört, die Stimme der Magdalena zu hören, und wen könne das verwundern nach dem, was auf dieser Insel geschehen war? Gott habe sich von ihr abgewandt, verkündete sie, sonst wäre es niemals so weit gekommen. Dafür erntete sie allerlei Rumoren aus den Reihen der Überlebenden, auch offenen Widerspruch und sogar ein paar Steine.
    Angelotti legte ihr nahe, mit der Santa Magdalena nach Zypern oder sogar bis ins Heilige Land zu reisen und von dort aus allein die Heimreise anzutreten. Niemand könne für ihre Sicherheit an Bord der Flottenschiffe garantieren, und sie wisse ja selbst, wie wankelmütig die Stimmung unter den Mädchen sei. Er jedenfalls werde keine Verantwortung übernehmen, falls die vermeintlichen Kreuzfahrerinnen in ihr den Sündenbock für ihr Scheitern ausmachen sollten. Saga erkannte die Weisheit in seinen Worten und erklärte sich zur Weiterfahrt auf der Santa Magdalena bereit. Insgeheim war sie froh darüber.
    Karmesin machte keinen Hehl aus ihrer Erleichterung über Sagas Entscheidung, und obgleich ihre offizielle Aufgabe als Begleiterin des Zuges im Auftrag des Papstes wohl beendet war, wollte sie bis zuletzt an Sagas und Jorindes

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