Herrin der Lüge
dass sie längst an dich glauben, wenn du in ihre Dörfer kommst? Die Gerüchte und Geschichten über die Magdalena sind schneller als der Wind. Die Vögel müssen sie über Berge und Täler tragen. Das ist, bei Gott, die einzige Erklärung, die mir einfällt.«
Saga schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. In Mailand werden Gesandte des Papstes auf uns warten. Sie lassen sich bestimmt nicht mit frommem Hörensagen abspeisen.«
Etwas Lauerndes trat in seinen Blick. »Und wie willst du sie überzeugen?«
»Sie werden mir glauben«, sagte sie mit mildem Lächeln, weil sie Verständnis für seine Neugier hatte, aber noch nicht bereit war, ihm die Wahrheit über den Lügengeist zu erzählen. »Und nur mir. Der Papst und die Ritterorden im Heiligen Land sind Violantes wahre Sorge, nicht die Mädchen da draußen.«
Kopfschüttelnd spuckte er auf den Lehmboden.
»He«, protestierte sie, »das ist mein Zelt!«
Grinsend entblößte er die Zähne. »Nicht mal du selbst gehörst dir. Das alles ist Besitz der Gräfin, du eingeschlossen.«
»Und du?«
»Sie hat unseren Sold erhöht, seit meine Männer angefangen haben, die Mädchen im Kampf zu unterrichten. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, wie’s scheint, aber ein einträgliches. Das Stück von mir, das ihr gehört, ist seitdem etwas größer geworden.«
»Gott, du magst sie!«
Mit seiner schwieligen Hand winkte er ab. »Der Kreuzzug, also. Von Anfang an?«
Sie nickte.
»Ich weiß nicht alles darüber. Nicht mal besonders viel, wenn ich ehrlich bin. Hölle noch mal, ich bin kein Gelehrter! Aber ich weiß, dass es jetzt ziemlich genau elf Jahre her ist, dass Innozenz Papst wurde. Und es ist kein Geheimnis, dass er ein machtgieriger Bastard ist. Die Eroberung Jerusalems ist genau das, was einer wie er sich gern auf die Flagge schreiben würde. So viele sind daran gescheitert, aber wenn es ihm damals gelungen wäre … nun, so weit ist es nicht gekommen. Die meisten Ritter und Vasallen, die sich vom Kriegsgeschrei der Prediger überzeugen ließen, waren Deutsche und Franzosen. Es wurde beschlossen, in Ägypten einzufallen und sich von dort aus an der Küste entlang bis ins Heilige Land vorzukämpfen … Das ist schon mal nichts, woran du dir ein Beispiel nehmen solltest.«
Saga blitzte ihn trotzig an, konnte aber ein Grinsen nicht unterdrücken. Zum ersten Mal fiel ihr auf, dass seinen blauen Augen etwas Pfiffiges innewohnte, weit mehr Humor, als er offen nach außen trug.
»Zwei Jahre später, im Jahr 1201 unseres Herrn, befand sich unser König Philipp von Schwaben noch im Streit um die deutsche Kaiserkrone, aber auch wenn es damals noch niemand ahnte, hatte er sein eigenes Interesse an diesem verfluchten Kreuzzug. Wusstest du, dass er mit einer Tochter des byzantinischen Herrschers verheiratet war? Irene, ein Prachtweib. Allerdings wurde ihr Vater kurz nach der Hochzeit vom byzantinischen Kaiserthron gestürzt und in Konstantinopels Kerker geworfen. Ein Kreuzzug kam Philipp damals gerade recht, in der Hoffnung, das Heer könne unterwegs in Konstantinopel Halt machen, das byzantinische Reich vom Joch der Usurpators befreien und Philipps Schwiegervater zum zweiten Mal krönen. Sich selbst sah Philipp schon als Kaiser des Westens, verheiratet mit der Tochter des Kaisers im Osten. Was wäre das für eine Machtfülle gewesen, der endgültige Triumph für das Geschlecht der Staufer! Natürlich erzählte Philipp damals niemandem von diesen Plänen, und beweisen kann sie bis heute keiner. Aber er war ein kluger Mann, und es reicht, eins und eins zusammenzuzählen, um auf den gleichen Gedanken zu kommen wie er.«
Saga starrte ihn an. Das was Zinder sagte, war unfassbar. Philipp sollte das riesige Heer des Kreuzzuges missbraucht haben, um seinem eigenen Machtbestreben nachzugehen?
»Papst Innozenz in Rom hatte unterdessen ein Abkommen mit dem Dogen Enrico Dandolo geschlossen, um die Überfahrt der Kreuzfahrer zu sichern«, fuhr Zinder fort. »Der Venezianer war damals bereits ein uralter Mann, der noch dazu einen persönlichen Groll gegen die Byzantiner hegte. Er sagte den Kreuzfahrern zu, Schiffe für ihre Überfahrt zu stellen. Als die Männer jedoch in Venedig eintrafen, mussten sie erkennen, dass der Preis, den sie an die Venezianer entrichten sollten, bei weitem ihre Möglichkeiten überstieg. Dandolo ließ sie wochenlang auf einer seiner Inseln schmoren, ganze elftausend Mann, bis er ihnen schließlich ein Angebot unterbreitete. Wenn sie bereit
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