Herrin der Schädel
Kaffee. Dabei fiel mein Blick auf das Fenster, hinter dem ein strahlender Morgen lag.
Es war ein wunderschöner Frühlingstag vorausgesagt worden. Sonnig, aber kalt. Dazu ein leichter Wind aus Osten. Wirklich kein Morgen, um sich mit vier Ermordeten zu beschäftigen.
Auch Glenda hatte sich schon frühlingshaft gekleidet. Sie trug einen roten dünnen Pullover mit einer Applikation auf der Brust. Sie zeigte ein ebenfalls rotes Herz, dessen Umriss mit kleinen Perlen bestickt war. Die schwarze Hose aus Cordsamt besaß leicht ausgestellte Beine. Es kam nicht oft vor, dass zwischen uns Schweigen herrschte. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte, und unsere Gedanken drehten sich um die vier Ermordeten. So etwas zu erfahren, war auch für uns nicht leicht zu verkraften.
Dass hier andere Mächte mit im Spiel waren, das stand für uns fest. Normalerweise war es nicht möglich, dass sich Menschen ins Yard Building hineinschlichen und andere Personen umbrachten. Da musste etwas anderes mit im Spiel gewesen sein.
Ich hatte die Tasse soeben geleert, als sich das Telefon meldete. Hier im Vorzimmer hatte Glenda das Sagen, auf dem Display war der Name des Anrufers zu lesen. Unser Chef, Sir James.
»Sag ihm, dass wir schon unterwegs sind, Glenda.«
»Okay. Und alles Gute.«
»Danke.«
***
Auch Sir James sah an diesem Morgen aus, als hätte er besonders sauren Zitronensaft getrunken und Pfeffer gegessen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ab, was er fühlte. Zum Gruß nickte er uns nur zu und deutete auf einen Mann mit angegrauten Haaren. Er trug die Uniform eines Kollegen, und ich kannte ihn zumindest flüchtig.
Suko und ich erfuhren, dass er Simon Neill hieß und die vier Toten entdeckt hatte. Der Mann sah aus wie sein eigener Geist. Klar, dass eine derartige Entdeckung nicht spurlos an einem Menschen vorbeigeht. Trotzdem wollte er uns Rede und Antwort stehen, was sehr lobenswert war. Er trank Kaffee aus einem Becher. Seine Augen sahen müde aus. Sie waren zudem gerötet, und als er die Tasse abstellte, zitterte seine Hand.
Wir waren ihm ebenfalls vorgestellt worden, aber das nur der Höflichkeit halber. Er kannte uns nicht nur von den Namen her, sondern auch vom Ansehen.
Simon Neill musste nicht erst großartig aufgefordert werden, etwas zu sagen. Er kannte die Regeln und sagte: »Ich weiß ja, mit welchen Dingen Sie zu tun haben, und deshalb meine ich, dass Sie bei mir gerade richtig sind.«
»Können Sie sich etwas genauer ausdrücken?«, fragte Suko.
»Ja, das kann ich. Dass die vier Männer getötet wurden, das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Für mich ist das unmöglich. Es kann niemand hereinkommen, ohne dass er von uns gesehen wird. Es gibt Kontrollen, das wissen Sie ja selbst. Deshalb muss es jemand gewesen sein, dessen Existenz ich einfach nicht begreife.« Er hob die Schultern. »Oder wie sehen Sie das?«
»Ebenso!«, stimmte Suko zu.
Neill brauchte nicht extra aufgefordert zu werden. Er berichtete von allein, wie er die vier Leichen gesehen hatte.
»Wie sah es mit Spuren aus? Irgendwelchen Hinweisen?«
»Nichts. Allerdings hatte ich zuvor bei Griffin vorbeigeschaut. Der Mann hat getobt. Er war völlig außer sich. Er wollte raus, aber das konnte ich natürlich nicht erlauben. Er… er… sprach von Platzangst, die er hatte. Ich ließ ihn dann in Ruhe, das ist am besten gewesen. Später habe ich dann die vier Leichen entdeckt. Furchtbar«, flüsterte er.
»Nichts gesehen?«
»Nein, Mr. Sinclair. Das habe ich in der letzten Zeit schon oft gesagt. Es ist ja nicht meine erste Aussage. Was bei uns vorgefallen ist, das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Es will nicht in meinen Kopf hinein. Ich fühle mich wie nach einem Angriff aus einer anderen Welt.«
»Das kann ich verstehen«, sagte ich und wandte mich an Sir James: »Sind Spuren entdeckt worden?«
»Nicht in den Zellen, John. Dafür bei den Toten. Man hat festgestellt, dass sie erwürgt wurden. Erdrosselt mit einem Gegenstand, der leider keine Spuren hinterlassen hat. Oder nur ganz schwache Abdrücke, aber die werden noch untersucht. Mehr kann ich im Moment auch nicht sagen.«
»Und ich bin ebenfalls ratlos«, erklärte Simon Neill.
»Was war denn, als sie sich mit Griffin unterhielten? Hat er da etwas zu Ihnen gesagt, was wir jetzt verwenden können? Hat er gedroht? Hat er auf etwas hingewiesen?«
»Nein.«
»Erwähnte er den Namen Dana Crow?«
Der Beamte schaute mich an und schüttelte den Kopf. »Nein, wie kommen Sie
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